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2/2025

 


Vorverlagerung des /g/ in den prätonischen Silben /gə/ und /gi/ – Ergebnisse einer Querschnittstudie

Velar fronting of /g/ in unstressed syllables /gə/ and /gi/ in word-initial position – Results of a cross-sectional study

Valerie Collasius

Zusammenfassung: Die Vorverlagerung (VV) von /k/ und /g/ ist laut Fox-Boyer (2023) bis 3;5 Jahre bei mehr als zehn Prozent der Kinder zu beobachten und gilt daher bis zu diesem Zeitpunkt als physiologisch. Eine Ausnahme stellt die VV des /g/ in den prätonischen Silben /gP/ oder /gi/ dar: Sie kann in Nomen und bei Verben im Partizip II bis zum Alter von 4;11 Jahren auftreten, obwohl der Einzellaut /g/ an sich bereits erworben wurde (Fox-Boyer, 2023). In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer Querschnittstudie präsentiert, die mit 103 Kindern zwischen 4;0 und 5;5 Jahren durchgeführt wurde. Ziele der Untersuchung waren, eine Aussage über die Häufigkeit der Vorverlagerung des /g/ in den prätonischenSilben /gP/ und /gi/ bei bereits erworbenem Einzellaut /g/ und über das Überwindungsalter dieses Prozesses zu treffen. Zudem wurde untersucht, welche Wortarten (Nomen, Adjektive,
Verben im Partizip II) und welche morphologischen und prosodischenStrukturen von diesem Phänomen betroffen sind. In einem ersten Schritt wurden mithilfe der Ergebnisse der „Psycholinguistischen Analyse kindlicher Aussprachestörungen“ (PLAKSS-II; Fox-Boyer, 2014) und eines selbstentwickelten Screenings zur Aussprache der unbetonten Silben /gP/ und /gi/ (ScreenUnS; Collasius, 2022) die Häufigkeiten der VV des /g/ in den prätonischen Silben /gP/ und /gi/ bestimmt (Primäranalyse). In einer weiteren Auswertung fand eine genauere Betrachtung der Datensätze jener ProbandInnen statt, die eine VV des /g/ in den prätonischen Silben /gP/ oder /gi/ zeigten, obwohl sie den Einzellaut /g/ bereits erworben hatten (Sekundäranalyse). Unterschiede innerhalb der einzelnen Wortartesowie der morphologischen und prosodischen Merkmale wurden analysiert. Bei fünf der 103 an der Studie beteiligten Kinder (4,9%) war eine VV des /g/ in der prätonischen Silbe /gP/ zu beobachten, obwohl der Einzellaut /g/ bereits erworben war – unabhängig von den Wortarten sowie den morphologischen und prosodischen Strukturen. In der Altersgruppe 4;0-4;5 Jahre zeigte sich die VV des /g/ in der prätonischen Silbe /gP/ bei mehr als zehn Prozent. Es scheint sich somit um einen phonologischen Prozess zu handeln, der bis zum Alter von 4;5 Jahren physiologisch ist. Die Silbe /gi/ war von dieser Vorverlagerung nicht betroffen. Bisherige Forschungsergebnisse von Fox-Boyer (2023) deuten darauf hin, dass Kinder, die das /g/ in der prätonischen Silbe /gP/ vorverlagert bilden, obwohl sie den Einzellaut /g/ bereits erworben haben, auch das /g/ in der prätonischen Silbe /gi/ vorverlagern. Dies konnte in der hier vorliegenden Studie nicht bestätigt werden.

ORG Collasius 84-92

1/2025


 

Evaluation des Dialogischen Lesens im Kita-Alltag - Ein Vergleich der Wirksamkeit in kontrollierten und realitätsnahen Studienbedingungen

Evaluation of dialogic reading in the daily routine of  early childhood education. A comparison of effectiveness between a controlled setting and daily routine setting.

Melanie Besca, Katja Reiner, Marco Ennemoser

Zusammenfassung: Trotz vielfältiger Bemühungen, die Sprachentwicklung von Kindern schon vor dem Schuleintritt besser zu unterstützen, fehlt es nach wie vor an evidenzbasierten Sprachfördermaßnahmen und v.a. Konzepten, die auch im Kindertagesstätten-(Kita-)Alltag wirksam sind. Das Dialogische Lesen beruht auf wesentlichen Elementen wirksamer Sprachförderung, z.B. dem Einsatz von Sprachförderstrategien zur Interaktionsverbesserung zwischen Fachkraft und Kind. (Inter-)national liegen umfangreiche Wirksamkeitsnachweise und Metaanalysen unter eng kontrollierten Bedingungen vor. Aufgrund der flexiblen Durchführungsmöglichkeiten erscheint das Dialogische Lesen auch für den Einsatz im Kita-Alltag geeignet. In diesem Beitrag wird die Wirksamkeit von Sprachförderung in der Kita anhand der Ergebnisse von zwei Studien zum Dialogischen Lesen dargestellt. Bei beiden handelt es sich um Prä-Post-Interventionsstudien im Kleingruppensetting für Vorschulkinder mit Sprachförderbedarf (N1=255 und N2=201). Die Intervention bestand aus einer Fortbildung der pädagogischen (päd.) Fachkräfte und wissenschaftlichen/studentischen MitarbeiterInnen sowie einer anschließenden Förderung der Kinder. Es zeigte sich ein signifikanter Effekt für das Dialogische Lesen im Kita-Alltag. Dabei machte es keinen Unterschied, ob es im Rahmen eines eng kontrollierten Studiendesigns oder unter alltagsnäheren Bedingungen zum Einsatz kam. Die Ergebnisse belegen somit die Wirksamkeit des Dialogischen Lesens im Kita-Alltag und liefern Evidenz für die Implementierbarkeit der Methode. Dabei wird auch die Bedeutung von empirisch fundierten Fortbildungen für päd. Fachkräfte deutlich.

ORG Besca et al. 4-16

4/2024


 

Beziehungsgestaltung und Kommunikation in der sprachtherapeutischen Videobehandlung - Eine qualitative Studie

Therapeutic Relationship and Communication in Speech Teletherapy - a Qualitative Study

Teresa Schmahl, Katharina Röse

Zusammenfassung: Mit Beginn der Covid-19-Pandemie war die sprachtherapeutische Videobehandlung in Deutschland erstmalig möglich (Lauer, 2020; G-BA, 2021). Ziel der hier vorgelegten Studie war es, die Beziehungsgestaltung und Kommunikation in der ambulanten Videobehandlung von erwachsenen PatientInnen mit erworbenen Sprech- und/oder Sprachstörungen aus der Perspektive der SprachtherapeutInnen zu erkunden. Mittels eines qualitativen Forschungsansatzes der „Grounded Theory Methodologie“ (GTM)
wurden episodische Interviews mit neun SprachtherapeutInnen durchgeführt (Flick, 2011). Orientiert an dem Vorgehen der GTM wurden die vollständig transkribierten Interviews induktiv kodiert und eine Kernkategorie herausgearbeitet (Strauss & Corbin, 1996). Diese Kernkategorie „sich an Herausforderungen und Veränderungen anpassen“ und deren Bedingungen und Konsequenzen verdeutlichen den Stellenwert der therapeutischen Kommunikation und Beziehung in der Videobehandlung. Durch diese sind Neuerungen
und Aufgaben aufgetreten, die Anpassungsleistungen von SprachtherapeutInnen erfordern. Die Beziehungsgestaltung und Kommunikation kann innerhalb der Videobehandlung trotz vorhandener Herausforderungen und Veränderungen im zwischenmenschlichen Miteinander, unter Anwendung neu entwickelter Fähigkeiten und Strategien, gelingen. Angehenden SprachtherapeutInnen sollten vertiefende Kenntnisse in der Beziehungsgestaltung und Kommunikation innerhalb der (Video-)Behandlung vermittelt werden. Weiterhin sollten zukünftige Forschungsarbeiten die Perspektive der PatientInnen und die besonderen Bedarfe von Personen mit motorischen, perzeptiven und kognitiven Einschränkungen sowie
mit unterschiedlichen sprachtherapeutischen Störungsbildern betrachten. Zudem wären weitere methodische Zugänge, wie teilnehmende Beobachtungen und Videografie, denkbar.

 ORG Schmahl/Roese 244-254

 

 

3/2024

Normdaten des Mottier-Tests für ein- und mehrsprachige Kinder im Alter von drei bis vier Jahren

Mottier test norm data for monolingual and multilingual children aged 3 to 4

Nathalie Frey, Kathrin Heeg, Maren Eikerling, Theresa Bloder,
Anja Starke, Thomas Günther, Carina Lüke

Zusammenfassung: Zur Überprüfung der Leistung des phonologischen Arbeitsgedächtnisses wird in der sprachtherapeutischen Diagnostik häufig der als weitgehend sprachenunabhängig geltende Mottier-Test (Mottier, 1951) als eine Form von nonword repetition tasks (NWRT) durchgeführt. Bislang fehlen jedoch Normwerte für einsprachig aufwachsende Kinder im Alter von 3;0 bis 3;11 Jahren sowie mehrsprachig aufwachsende Kinder im Alter von 3;0 bis 4;11 Jahren. Anhand von N=256 Kindern (52% Jungen, 48% Mädchen, mehrsprachig 40%, MAlter=4,25 Jahre, SD=0,41) werden erstmals Normwerte mit einer kontinuierlichen Normierung für die genannte Zielgruppe berichtet, wobei die Mottier-Items mittels Audioaufnahmen mit einer Darbietungsgeschwindigkeit von zwei Silben pro Sekunde präsentiert wurden.

Weder der sprachliche Hintergrund noch das Geschlecht wirkten sich auf die kindliche Nachsprechleistung aus. Aufgrund deshohen Anteils an Kindern, die im Alter von 3;0 bis 3;5 Jahren die Testdurchführung verweigerten (23,9%), wird die Durchführung des Mottier-Tests ab 3;6 Jahren empfohlen.

ORG Mottier Teil 3 164-173

 

 

2/2024

Zur Fähigkeit älterer Personen, eigene kognitive Leistungen einzuschätzen

The ability of older people to assess their own cognitive performance

Gianna Kuhles und Anna Rosenkranz

Zusammenfassung: Demenzielle Erkrankungen, wie Alzheimer-Demenz (AD), führen zu Beeinträchtigungen kognitiver Leistungen. Ein Hauptsymptom der AD ist die Anosognosie, eine Unfähigkeit, Beeinträchtigungen bei sich selbst wahrzunehmen.
Eine frühe fehlerhafte Selbsteinschätzung kognitiver Leistungen kann ein Indikator für leichte kognitive Beschränkungen (LKB) sein. Demzufolge ist die Berücksichtigung dieser Fähigkeit,
speziell bei älteren Personen, für therapeutische Interventionen von großer Relevanz. Ziel dieser Studie war die Entwicklung eines Fragebogens zur objektiven Erfassung der Selbsteinschätzung kognitiver Fähig-
keiten älterer Menschen. Zudem sollte überprüft werden, ob sich die Fähigkeit zur korrekten Selbsteinschätzung zwischen älteren Personen mit guten und solchen mit schlechteren kognitiven
Leistungen unterscheidet. Es wurde ein Fragebogen entwickelt, der sich an der Testbatterie CERAD-Plus orientiert. Auf dieser Grundlage wurde ein Abweichungswert zwischen den Ergebnissen aus dem Fragebogen und
der objektiv gemessenen Leistung in der CERAD-Plus ermittelt. Der Fragebogen sowie die CERAD-Plus wurden mit 23 ProbandInnen (m=8, w=15; Alter Mittelwert (M)=86.13, Standardabweichung
des Mittelwerts SD=7.38) durchgeführt. Die ProbandInnen wurden in zwei Gruppen mit guten (n=11) und schlechteren (n=12) kognitiven Leistungen aufgeteilt. Die Gruppen
unterschieden sich bzgl. des Gesamtscores sowie der einzelnen Domänen der CERAD-Plus signifikant voneinander, während in ihrer Selbsteinschätzung mittels des Fragebogens keine signi-
fikanten Differenzen gefunden wurden. Der ermittelte Abweichungswert zwischen kognitiver Leistung und Selbsteinschätzung dieser unterschied sich in den beiden Gruppen im Gesamtscore
sowie in der Domäne Visuelles Gedächtnis signifikant voneinander. Die Studie zeigt, dass die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung von älteren Personen mit guten und schlechteren kognitiven Leistun-
gen voneinander abweicht. Da eine mangelnde Selbsteinschätzung ein Hinweis auf eine LKB sein kann, sollten Möglichkeiten zur Überprüfung dieser zukünftig stärker berücksichtigt werden, um
Einbußen der Lebensqualität durch Konflikte unterschiedlicher Wahrnehmungen entgegenzuwirken.

 2024.2 ORG Kuhles u. Rosenkranz 84-93

 

 

1/2024

Einheitliche Vorgehensweise bei diverser Zielgruppe?

Anwendung und Durchführung des Mottier-Tests (Teil 1)

Consistent practice for a diverse target group? Application and implementation of the Mottier test

Maren rebecca Eikerling, Theresa Sophie Bloder, Nathalie Frey, Kathrin Heeg, Anja Starke und Carina Lüke

Zusammenfassung: Der Mottier-Test (Mottier, 1951) stellt im deutschsprachigen Raum ein weit verbreitetes Verfahren dar, das anhand der Nachsprechleistung von Pseudowörtern Aufschluss über die Kapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses bei Kindern liefert und somit relevant für die Sprachentwicklungsdiagnostik sein kann. Heterogenität in der Durchführung des Mottier-Tests scheint sowohl in Bezug auf Darbietungsform (u. a.
Präsentationsgeschwindigkeit) als auch Ergebnisinterpretation (Normierung) zu bestehen. In den zwei vorliegenden Studien werden zunächst die Aspekte der Anwendungshäufigkeit und
Heterogenität in der Durchführung des Mottier-Tests untersucht. Dazu beantworteten 166 deutschsprachige SprachtherapeutInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Studie
I einen Online-Fragebogen zur Nutzung des Mottier-Tests in der therapeutischen Praxis. Weiterhin wurden in Studie II 29 Studienteilnehmende (in Deutschland lebende Studierende des
Grundschullehramts mit dem Schwerpunkt Deutsch als Zweitsprache, der Sprachheilpädagogik oder der -therapie) Kriterien zur Darbietung der Items des Mottier-Tests vorgegeben und deren Umsetzung anhand eines Selbsteinschätzungsbogens
sowie durch die Messung der tatsächlich realisierten Silbenlänge geprüft. Ergebnisse beider Studien weisen auf ein höchst heterogenes Bild in der Durchführung des Mottier-Tests hin,
insbesondere in Bezug auf die Anwendung von Normdaten und die Umsetzung der Vorgaben zur Darbietungsgeschwindigkeit.

2024.1 ORG Eikerling et al. 4-14

 

 

4/2023

Post COVID-19 Condition in der Logopädie/Sprachtherapie

Ergebnisse einer Befragung

Post COVID-19 Condition in speech and langugae therapy - Results of a survey

Maria Barthel, Birte Meier, Melanie Misamer, Ulrike Frank und Juliane Leinweber

Zusammenfassung: Eine COVID-19-Infektion kann zu langanhaltenden gesundheitlichen Einschränkungen (Post COVID-19 Condition, PCC) führen. Internationale Studien zeigen, dass davon Betroffene
häufig an Schluck-, Stimm-, Atem- und neurokognitiven Kommunikationsstörungen leiden und therapeutische Versorgung notwendig ist. Ziel der Studie war es, mit einer Online-Befragung Erkenntnisse
zur logopädischen/sprachtherapeutischen Versorgung in Deutschland im September 2021 zu gewinnen. Die Ergebnisse zeigen, dass ein breites Spektrum an bekannten Tests und Screenings sowie
Einzelübungen und Konzepte aus der Sprach-, Sprech-, Stimm und Schlucktherapie verwendet wurden. Die Studie bestätigt die internationalen Erkenntnisse und legt dar, dass die logopädische/
sprachtherapeutische Behandlung von Menschen mit PCC aufgrund der Symptomkomplexität (z.B. Schweregrad, Dauer und Verschiedenartigkeit der Symptome) wesentlich für die teilhabeorientierte
Gesundheitsversorgung ist.

2023.4 ORG Barthel et al. 257-266

 

 

4/2023 

Dynamic Assessment und Lernverlaufsdiagnostik

Perspektiven in der sprachtherapeutischen Diagnostik

Dynamic Assessment and Progress Monitoring - Perspectives in Language Assessment

Julia Winkes und Christoph Till

Zusammenfassung: Logopädische Diagnostik basiert neben informellen Beobachtungen zu einem großen Teil auf standardisierten statusdiagnostischen Verfahren, welche die Leistungen von Kindern
mit einer Altersnorm vergleichen. Diese erheben somit das Produkt sprachlichen Lernens zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt. Mit Dynamic Assessment (DA) und Lernverlaufsdiagnostik (LVD)
werden zwei alternative diagnostische Ansätze vorgestellt, die beide auf unterschiedliche Art den Entwicklungsprozess in den Fokus rücken. DA schafft Testsituationen, in denen die erwachsene
Person mit dem Kind beim Lösen von Aufgaben interagiert und sich dabei an Art und Anzahl der benötigten Hilfestellungen herantastet, was Rückschlüsse auf das Lernpotenzial und die Zone
der nächsten Entwicklung des Kindes zulässt. LVD hingegen nutzt wiederholte Kurzmessungen mittels möglichst reliabler und valider Leistungsproben, um Lernverläufe über mehrere Wochen grafisch
darzustellen und Entscheidungen über die Passung zwischen Intervention und Kind zu treffen. Beide Ansätze werden mit ihrem theoretischen Hintergrund, ihrem Vorgehen und konkreten Anwendungsmöglichkeiten
im sprachtherapeutischen Setting präsentiert. Im Vergleich zwischen Statusdiagnostik, DA und LVD zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Dies spricht dafür, dass sich
sinnvolle und gewinnbringende Ergänzungen der aktuellen Praxis sowohl durch DA als auch durch LVD ergeben können. Zu diesem Zweck ist es Aufgabe der Forschung, vermehrt konkrete Materialien
zur Verfügung zu stellen und vorhandene konzeptionelle und methodische Schwierigkeiten durch empirisches Arbeiten zu lösen.

2023.4 ORG WinkesTill 244-255

 

 

3/2023

Sprechtechniken bei Erwachsenen mit Stottern

– Anwendung und ihre Einflussfaktoren

Speech techniques in adults with stuttering – application and their influencing factors

Julia Adam, Maria Barthel, Holger Prüß, Kirsten Richardt und Ulla Beushausen

Zusammenfassung: Um Behandlungserfolge langfristig aufrechterhalten zu können, müssen die Inhalte und Methoden von Stottertherapien auf die individuellen Kommunikationsanforderungen
im Alltag abgestimmt werden. Deshalb ist für die Konzeption des Therapiebausteins Sprechtechniken und dessen Verknüpfung mit anderen Behandlungsinhalten relevant, wie Sprechtechniken im
Alltag angewendet werden und welche Faktoren darauf Einfluss nehmen. Hierzu wurden 85 Erwachsene mit Stottern anhand eines Online-Fragebogens befragt, nachdem sie an einer methodenkombinierten
Intensiv-Intervall-Therapie der Ansätze Stottermodifikation und Sprechrestrukturierung („Bonner Stottertherapie“) teilgenommen hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass zahlreiche unterschiedliche Handlungsstrategien (z. B. Kombination mehrerer
Sprechtechniken, offenes Zeigen des Stotterns) genutzt werden, um mit der Redeflussstörung im Alltag umzugehen. Bedeutsame Einflussfaktoren auf die Anwendung von Sprechtechniken sind v. a. sprachliche und situative Anforderungen, die Desensibilisierung in Bezug auf das eigene Stottern und die ZuhörerInnenreaktionen
sowie in Bezug auf die Anwendung von Sprechtechniken. Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass das Erlernen mehrerer Sprechtechniken und einer Symptomatik, die möglichst wenig von Anstrengungs- und Vermeidungsverhalten geprägt ist, ermöglicht, individuelle Handlungsstrategien für einen alltagsorientierten
Umgang mit dem Stottern zu entwickeln. Durch die Auswahl aus mehreren Techniken und der Option des offenen Zeigens der Symptomatik lässt sich das Sprechverhalten flexibel an sprachliche und situative Anforderungen anpassen.

2023.3 ORG Adam et al. 164-176

 

 

2/2023

Delphi-Studie zur Definition und Terminologie von Sprachentwicklungsstörungen

– eine interdisziplinäre Neubestimmung für den deutschsprachigen Raum

Delphi study on the definition and terminology of developmental language disorders – an interdisciplinary reappraisal for German-speaking countries

Christina Kauschke*, Carina Lüke*, Andrea Dohmen, Andrea Haid, Christina Leitinger, Claudia Männel, Tanja Penz,
Steffi Sachse, Wiebke Scharff Rethfeldt, Julia Spranger, Susanne Vogt, Katrin Neumann‡ und Marlen Niederberger‡
(*geteilte Erstautorinnenschaft, ‡geteilte Letztautorinnenschaft, andere Autorinnen in alphabetischer Reihenfolge)
Alle Autorinnen zusammen bilden das „D-A-CH-Konsortium SES“ (Deutschland-Österreich-Schweiz-Konsortium Sprachentwicklungsstörungen).
All authors jointly form the „D-A-CH-Konsortium SES“ (D = Germany, A = Austria, CH = Switzerland; SES = Sprachentwicklungsstörung).

Zusammenfassung:

Im vorliegenden Beitrag stellt das „D-A-CHKonsortium SES“, eine multidisziplinär und multinational zusammengesetzte Steuerungsgruppe, die Ergebnisse einer groß angelegten Delphi-Befragungsstudie zur Definition und Terminologie von Sprachentwicklungsstörungen im deutschsprachigen Raum dar. Ausgehend von den internationalen Entwicklungen, die durch das CATALISE-Konsortium (Bishop et al., 2016; 2017) angestoßen wurden, entstand die Notwendigkeit einer eigenständigen Positionierung zu den aktuellen inhaltlichen Festlegungen und gleichzeitig zu einer Vereinheitlichung der bislang disparaten Terminologie zur Bezeichnung verschiedener Formen von Sprachauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter. Ziel war es, Aussagen und Termini zu erarbeiten, die über Disziplinen und Länder hinweg getragen werden.
Nach einem dreistufigen, methodisch begleiteten Delphi-Verfahren mit über 400 Befragten konnte für die meisten inhaltlichen Aspekte ein Konsens ermittelt werden. Zentrale Ergebnisse werden in Form von 23 Statements präsentiert. Diese betreffen u.a. die Unterscheidung von Sprachentwicklungsstörungen, die assoziiert mit anderen,
mitverursachenden Beeinträchtigungen auftreten, und solchen ohne assoziierte Beeinträchtigungen, bei denen jedoch Begleiterscheinungen in anderen Entwicklungsbereichen außerhalb der Sprache nicht ausgeschlossen sind, die sprachrelevant sein können. Zudem wurden die Altersbereiche für Sprachentwicklungsverzögerungen und -störungen sowie ein Kriterium für eine bedeutsame Abweichung von der unauffälligen Sprachentwicklung (minus 1,5 Standardabweichungen vom Mittelwert) festgelegt. Für spezifische Aspekte (insbesondere bezüglich der Rolle kognitiver Faktoren und umgebungsbedingter
Sprachauffälligkeiten) besteht weiterer Klärungsbedarf. Die konsentierten Ergebnisse können zukünftig zu einer besseren Verständigung über Sprachentwicklungsstörungen beitragen.

2023.2 03 ORG Delphi_84-102

 

 

1/2023

Vergleich zweier modellgeleiteter
Diagnostikverfahren für erworbene Dyslexien

Eine Fallserie

Comparison of two model-guided assessment tools for acquired dyslexia – a case series

Rebecca Schumacher, Irene Ablinger und Frank Burchert

Zusammenfassung:

Die vorliegende Vergleichsstudie stellt Diagnostikergebnisse ausgewählter DYMO- (Schumacher et al., 2020) und LEMO  2.0-Untertests  (Stadie  et  al.,  2013)  zur  Untersuchung  der Leseleistung  von  zwölf  Personen  mit  Dyslexie  (PmD)  gegenüber. Dabei wurden individuelle Analysen und Gruppenanalysen (leichte
vs. schwere Lesebeeinträchtigung) vorgenommen. Aufgrund der komplexeren Itemstruktur und zusätzlich berücksichtigter Modellkomponenten in DYMO wurde die Hypothese formuliert, dass mit DYMO ergänzende Aussagen zum modellbezogenen Störungsort getroffen werden. Zudem wurde erwartet, dass leichte Lesebeeinträchtigungen durch DYMO im Vergleich zu LEMO 2.0 sensitiver erfasst werden können. Beide Annahmen konnten zum Teil bestätigt werden. In der
Analyse der individuellen Daten trugen die DYMO-Untertests bei elf von zwölf PmD ergänzende Informationen zum Lesebefund bei. Auf der Ebene der Gruppenanalyse wurden für die Teilaspekte erreichte Leistungsbereiche und Effekte psycholinguistisch kontrollierter Variablen für PmD mit einer leichten Lesebeeinträchtigung durch DYMO
vertiefende Informationen ermittelt. Die vorliegende Arbeit leistet einen wesentlichen Beitrag zur Spezifizierung des Lesebefundes bei erworbenen Dyslexien.

2023.1ORG Schumacher.et.al4-17

 

 

4/2022

Zur Schulleistungsentwicklung von Kindern mit beeinträchtigtem Sprachverständnis

Eine Längsschnittstudie

On the development of children with low language comprehension skills – A longitudinal study

Kathrin Mahlau

Zusammenfassung:

Kinder mit Sprachverständnisstörungen haben häufig erhebliche Probleme beim Erwerb schulischer Kompetenzen wie dem Schriftspracherwerb und in der Mathematik.
Mit dem Rügener Inklusionsmodell wurde für Kinder mit sprachlichen Auffälligkeiten eine Unterrichts- und Förderstruktur entwickelt, die sich an den „Response to Intervention-Ansatz“
anlehnt und inhaltlich sowohl im Regelunterricht als auch in speziellen Förderstrukturen das Sprachverständnis diagnostiziert, unterrichtlich berücksichtigt und explizit fördert.
Im Rahmen der Gesamtevaluation zur Effektivität des Rügener Inklusionsmodells wurde in einer Teilstudie geprüft, wie sich die SchülerInnen mit geringen Sprachverständnisleistungen
unter den inklusionsförderlichen Bedingungen im Vergleich zu altersgleichen Kindern mit vergleichbaren Sprachverständnisleistungen entwickeln, die Schulen ohne spezifische Förderstruktur
besuchen. Dazu wurde mittels Kovarianzanalysen untersucht, inwiefern sich die Fähigkeiten im Sprachverständnis, im Lesen, Rechtschreiben und in der Mathematik über den Verlauf der vier Grundschuljahre entwickeln und ob sich Leistungsunterschiede
zwischen beiden Gruppen zeigen. Die Ergebnisse zeigen für den betrachteten Zeitraum der Primarstufe, mit Ausnahme des mathematischen Könnens zum Ende der dritten Klasse zugunsten der Kontrollgruppe, keine signifikanten
Unterschiede. Sowohl im rezeptiven Wortschatz als auch im Schriftspracherwerb sind ebenfalls keine bedeutsamen Gruppenunterschiede nachweisbar. In keinem der zwei betrachteten
Settings gelingt es, Kinder mit auffälligen Sprachverständnisleistungen so zu fördern, dass sie nach vier Jahren überwiegend durchschnittliche Leistungen zeigen. Lediglich im Bereich Lesen
lässt sich eine altersgerechte Entwicklung feststellen.

2022.4ORG Mahlau244_256

 

 

3/2022

Videotherapie in der Behandlung des Stotterns

Wirksamkeit und Handlungsempfehlungen

Webcam delivery in the treatment of stuttering – Efficacy and recommendations for action

Valerie Collasius und Ulla Beushausen

Zusammenfassung:

Telemedizinische Leistungen (TML) werden künftig Bestandteil der Regelversorgung in der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie sein. Damit wird an die aufgrund der COVID-19-Pandemie geltenden Sonderregelungen zur Durchführung von
Videotherapie angeknüpft. In diesem Artikel werden internationale Veröffentlichungen zur Wirksamkeit von Video- im Vergleich zur herkömmlichen Präsenztherapie im Bereich des Störungsbildes ‚Stottern‘ vorgestellt. Dabei lag der Fokus auf drei Konzepten („Camperdown-Programm“, „Kasseler Stottertherapie“ (KST) und„Lidcombe-Programm“), deren zugrundeliegende Behandlungsformen im Rahmen der „S3-Leitlinie Redeflussstörungen“ (Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 2016) mit dem Empfehlungsgrad A bewertet wurden. Es zeigt sich, dass die videobasierte Stottertherapie bei diesen Ansätzen ebenso wirksam ist wie die Durchführung in Präsenz. Handlungsempfehlungen zur Durchführung von Videotherapie (VT) im Bereich ‚Stottern‘ betreffen u. a. die technische Ausstattung, die individuelle Eignung der PatientInnen sowie veränderte Interaktionsmuster.

2022.3 ORG CollasiusBeushausen164_173

 

 

2/2022

Kompetenzempfinden bei der Sprachentwicklungsdiagnostik mehrsprachiger Kinder

Self-perceived competence when diagnosing developmental language disorder in multilingual children

Rieke Marxen, Carina Lüke, Joana Cholin

Zusammenfassung:

SprachtherapeutInnen haben in früheren Studien von ihrer Unsicherheit berichtet, bei mehrsprachigen Kindern klar zwischen einer Sprachentwicklungsstörung und einem Sprachförderbedarf trennen zu können. Sie haben deshalb den Wunsch geäußert, in diesem Bereich zu einem vertieften Wissen zu gelangen. Die folgende Studie untersucht, ob sich das diesbezügliche Lehrangebot an Hoch- und Berufsfachschulen in den letzten zehn Jahren in dieser Hinsicht erweitert und sich (gegebenenfalls daraus folgend) das Kompetenzempfinden der TherapeutInnen in den letzten zehn Jahren verändert hat. Im Rahmen einer Fragebogenstudie wurdenDaten zu möglichen Einflussgrößen wie ‚Berufserfahrung‘, ‚Ausbildungsinhalte zum Thema Mehrsprachigkeit‘, ‚Mehrsprachigkeit von Kindern und TherapeutInnen‘, ‚Kenntnisse und Kompetenzempfinden bei der Sprachentwicklungsdiagnostik mehrsprachiger PatientInnen‘sowie ‚Erfahrung im Umgang mit entsprechendem Testmaterial‘ erhoben. An der Studie nahmen 192 SprachtherapeutInnen teil. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in den letzten Jahren mehr Veranstaltungen zum Thema ‚Mehrsprachigkeit‘ angeboten und besucht wurden. Die TherapeutInnen äußern aber weiterhin
im Einklang mit weiteren Befragungsstudien eine fortbestehende Unzufriedenheit mit den zur Verfügung stehenden Testmaterialien für die Diagnostik bei mehrsprachigen Kindern. Darüber hinaus zeigte sich, dass sich ProbandInnen mit mehr Berufserfahrung kompetenter in der Diagnostik mehrsprachiger Kinder fühlen als TherapeutInnen mit weniger Berufserfahrung. Dass sich insgesamt keine größeren Veränderungen im Vergleich zu früheren Studienergebnissen feststellen ließen, lässt vermuten, dass die Anzahl besuchter Lehrveranstaltungen einen eher geringen Einfluss auf das
Kompetenzempfinden nimmt. Es muss weiter untersucht werden, welche Maßnahmen sich positiv auf die empfundene Kompetenz bei der Diagnostik mehrsprachiger Kinder auswirken können.

2022.2OrgMarxenLuekeCholin97-106.pdf

 

 

 

2/2022

Lexikalische Profile bilingualer Kinder im Grundschulalter

Lexical profiles of bilingual primary school children

Karin Hein und Christina Kauschke

Zusammenfassung:

Der kindliche Spracherwerb verläuft trotz Orientierung an bestimmten Meilensteinen sehr individuell und heterogen. Die vorliegende Studie zielte darauf ab, diese Heterogenität auf lexikalischer Ebene zu systematisieren. Der besondere Fokus lag auf der Verarbeitung von Wortformen bei bilingualen im Vergleich zu monolingualen Kindern.In Ergänzung zu den Ergebnissen einer Stichprobe von 164 monolingualen
Kindern (Hein & Kauschke, 2020) wurde nun eine Stichprobe von 39 bilingualen Kindern untersucht. Dabei kamen wortformorientierte Aufgaben (auditives Lexikalisches Entscheiden und Schnellbenennen) in Kombination mit traditionellen Wortschatzaufgaben (Wort-Bild-Zuordnung und Benennen) zum Einsatz. Die Ergebnisse einer Clusteranalyse kristallisierten fünf unterschiedliche lexikalische Profile bilingualer Kinder mit charakteristischen Stärken und Schwächen heraus. Diese ähneln deutlich den zuvor gefundenen lexikalischen Profilen monolingualer Kinder, was darauf hindeutet, dass sich die lexikalischen Fähigkeiten einer sprachlich heterogenen Stichprobe unabhängig vom Spracherwerbstyp (mono- bzw. bilingual) systematisieren lassen.

2022-2OrgHeinKauschke-84-96.pdf

 

 

1/2022

Praktische Ausbildung in der Logopädie/Sprachtherapie: Kompetenzförderliche Faktoren in verschiedenen Ausbildungskontexten

Katharina Hofmann, Elke Oetke, Stefan Heim

Zusammenfassung: 

Erkenntnisse zur logopädischen Kompetenzförderung und zur Effektivität der klinisch-praktischen Ausbildung sind nicht ausreichend vorhanden, um auf wissenschaftlicher Basis Vorgaben für die Praxisausbildung festlegen zu können. Im Zuge der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe in Deutschland sind diese Erkenntnisse jedoch wichtig für die Gestaltung von Studiengängen. Diese Untersuchung identifiziert kompetenzförderliche Faktoren der praktischen Ausbildung und bezieht Unterschiede zwischen verschiedenen Möglichkeiten ein. 121 Absolvierende der letzten fünf Jahre ausgewählter logopädischer bzw. sprachtherapeutischer Ausbildungs- oder Studiengänge im In- und Ausland wurden mittels eines Online-Fragebogens befragt. Dieser beinhaltet die Selbsteinschätzung der eigenen logopädischen Kompetenzen und die Bewertung von Aspekten der praktischen Ausbildung. Mit den Variablen zur Kompetenzeinschätzung wurden die Probandinnen und Probanden mit einer Clusteranalyse eingeteilt und die entstandenen Gruppen auf Unterschiede analysiert. Des Weiteren wurde ausgewertet, welche Aspekte der Ausbildung als „besonders häufig vorkommend“ angegeben und welche als besonders „kompetenzförderlich“ bewertet wurden. Diese Auswertungen wurden zusätzlich zwischen den verschiedenen Ausbildungskontexten verglichen.

Die am häufigsten vorkommenden Methoden der Praxisvermittlung sind praktische Übungen mit oder an KommilitonInnen/Modellen, selbstständige Planung von Therapien mit Feedback, Bearbeitung von Fallbeispielen und Praxisbegleitung in Form von Feedback zum TherapeutInnenverhalten. Als besonders kompetenzförderlich eingeschätzt wurden die eigene Arbeit mit PatientInnen nach theoretischer Vorbereitung auf das Störungsbild und eine selbstständige Planung von Therapien mit Feedback. Unter den Probandinnen und Probanden mit einer höheren Selbsteinschätzung der Kompetenzen waren signifikant mehr, die jedes Hauptstörungsgebiet in der Ausbildung selbst behandelt hatten. Die Bewertung der Aspekte war über die verschiedenen Ausbildungskontexte hinweg ähnlich.

2022.1ORGHofmannetal.4-13

 

 

4/2021

Erzählfähigkeit und mögliche Einflussfaktoren bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom

Narrative abilities and influencing factors in children and adolescents with Down syndrome

Isabel Neitzel und Martina Penke

Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag gibt Einblick in die Erzählfähigkeit von Menschen mit Down-Syndrom (DS), zu der bisher keine Forschungsdaten für den deutschsprachigen Raum vorliegen. Untersucht wurden die Makro- und Mikrostruktur der Erzählungen von 28 Testpersonen mit DS im Alter von zehn bis zwanzig Jahren anhand des „Narrative Scoring Scheme“ (NSS) sowie mögliche sprachliche und kognitive Einflussfaktoren. Die Ergebnisse deuten auf eine eingeschränkte Erzählfähigkeit und einen Zusammenhang mit sprachlichen – insbesondere lexikalischen – und kognitiven Leistungen hin.

2022.1ORGNeitzelPenke 14-24

 

 

4/2021

Myofunktionelles Training des oralen und velopharyngealen Bereichs bei obstruktiver Schlafapnoe

Eine experimentelle Einzelfallstudie

Laura Moersdorf und Ulla Beushausen

Zusammenfassung: Ziel  der  Studie  war  die  Untersuchung  der Auswirkungen eines zwölfwöchigen myofunktionellen Trainings des oro-velopharyngealen Bereichs auf nächtliche Atemaussetzer bei obstruktiver Schlafapnoe (OSA). Dabei wurden logopädische (Zungenkraft, Überprüfung des oralen Bereichs), schlafmedizinische (Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), Sauerstoffsättigung (SpO2), Schnarch-Index) und subjektive Parameter (Tagesschläfrigkeit, Schlafqualität,  Alltagsintegrierbarkeit  des  Trainings) mittels experimenteller  Einzelfallstudie  mit  Vorher-Nachher-Design (ABA) erhoben. Es wurden logopädische (Iowa Oral Performance Instrument (IOPI)), „Frenchay Dysarthrie Untersuchung“ (FDU; Enderby, 1991) und schlafmedizinische Messungen (ambulante Polygrafie, „Pittsburgher Schlafqualitätsindex“ (PSQI; Buysse et  al.,  1989)),  „Epworth  Sleepiness  Scale“  (ESS;  Johns,  1991) durchgeführt. Das myofunktionelle Programm des oro-velopharyngealen  Bereichs  umfasste  Übungen,  die  in  wöchentlichen Therapieeinheiten eingeführt und vom Patienten zweimal täglich im häuslichen Eigentraining für max. 20 Minuten umgesetzt wur-den. Die Auswertung der numerischen Daten erfolgte quantitativ, qualitative Daten wurden deskriptiv ausgewertet. Es zeigten sich Verbesserungen der mittels FDU überprüften unwillkürlichen Bewegungen der Zunge in Ruhe sowie der Zungenbeweglichkeit in den Bereichen Zungenhebung und -senkung. Die Zungenkraft stieg an, die Tagesmüdigkeit sowie die Schlafqualität verbesserten sich. Der mittels ambulanter Polygrafie gemessene AHI sank auf 17,5/h, der AHI in Rückenlage auf 29/h. Der Schnarchanteil verringerte  sich  auf  4,7/h.  Die  minimale  SpO2  stieg  um  1%, ebenso wie die mittlere SpO2. Die Schlafeffizienz stieg auf 96,6% und der mittels RDI gemessene Schweregrad sank auf 17,5.

2021.4ORGMoersdorfBeushausen 256-266

 

 

4/2021

Ratgeber leichter lesen?

Studie zur Wirkung leichter Sprache auf das Verständnis von Texten für Personen mit Aphasie

Eva Lauinger, Volker Maihack und Stefanie Duchac

Zusammenfassung: Im Gesundheitsmanagement gewinnt die Gesundheitskompetenz zunehmend an Bedeutung. Bei von Aphasie Betroffenen ist sie aufgrund der sprachlichen Einschränkungen beeinträchtigt.Leicht verständlich geschriebene Ratgeber könnten eine Möglichkeit sein, Menschen mit Aphasie stärker in ihren Genesungsprozess einzubeziehen. In dieser multiplen Fall-Kontroll-Studie mit vier ProbandInnen mit Aphasie in der chronischen Phase und vier sprachgesunden Kontrollpersonen sollte die Wirkung der Variation des sprachlichen Schwierigkeitsniveaus auf das Textverständnis untersucht werden.Dafür lasen die ProbandInnen jeweils einen Text in Leichter und schwerer Sprache und beantworteten dazu Multiple-Choice-Fragen. Die Bearbeitungszeit und Fehleranzahl wurden gemessen und aufDifferenzen zwischen den Schwierigkeitsniveaus und den beiden Gruppen untersucht. Auf individueller Ebene konnten Veränderungen beobachtet werden. Zwischen den einzelnen Gruppen gab es gemäß Mann-Whitney-U-Test allerdings keine signifikanten Unterschiede. Daraus ergeben sich Hinweise darauf, dass die Anwendung der Regeln Leichter Sprache bei einigen Leserinnen und Lesern zu einemverbesserten Textverständnis führen kann, dass es aber auch solche gibt, auf deren Textverständnis sich diese Anpassungen nicht oder sogar negativ auswirken. Bei der Bereitstellung von Informationensollte daher immer die intendierte Zielgruppe im Fokus stehen.

2021.4ORGLauinger et al 244-255

 

 

3/2021

Erfassung der Erzählfähigkeit mehrsprachig aufwachsender Vorschulkinder

Überprüfung der Testgütekriterien des Verfahrens MAIN (Multilingual Assessment Instrument for Narratives)

Tamara Lautenschläger, Katja Schneller, Jens Kaiser-Kratzmann und Steffi Sachse

Erzählfähigkeit wird als vielversprechender Untersuchungsbereich für die Erfassung sprachlicher Fähigkeiten bei mehrsprachigen Kindern betrachtet (Paradis et al., 2010). Speziell für Teilfähigkeiten auf der sog. „Makrostrukturebene“ werden eine geringere Abhängigkeit vom Kontakt zur Einzelsprache und Übertragungseffekte aus der stärker entwickelten Sprache angenommen. Vor dem Hintergrund dieser Annahmen wurde das Verfahren MAIN (Multilingual Assessment Instrument for Narratives; Gagarina et al., 2012) entwickelt, um die Erzählfähigkeit drei- bis zehnjähriger mehrsprachiger Kinder zu erfassen. Das Verfahren und dessen Entwicklung wurden in dem Impulsbeitrag „Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN) – Ein Verfahren zur Erfassung der Erzählkompetenz von Kindern“ von Gagarina (in der letzten Ausgabe (29/1)) näher beschrieben. Als Erzählstimulus dienen bei MAIN verschiedene Bildergeschichten mit parallelisiertem Handlungsverlauf, anhand derer mehrsprachig aufwachsende Kinder in jeweils beiden Sprachen getestet werden können. Da für MAIN bislang noch keine umfassende Überprüfung der Testgüte vorliegt, wurden anhand von Erzähldaten aus dem Forschungsprojekt IMKi (Effekte einer aktiven Integration von Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen) erste Untersuchungen zur Auswertungsobjektivität, Retest- und Paralleltest-Reliabilität sowie Konstruktvalidität durchgeführt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Verfahren nach intensiver Einarbeitung in das Auswertungsvorgehen als ausreichend objektiv und reliabel eingeschätzt werden kann. Bei der Überprüfung der Reliabilität der Paralleltestversionen zeigte sich allerdings ein deutlicher Reliabilitätsverlust. Bezüglich der Validität ergeben sich Hinweise darauf, dass MAIN eine Fähigkeit erfasst, die einen deutlichen Zusammenhang zu expressiven Wortschatzleistungen aufweist, jedoch von diesen abgrenzbar ist. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich MAIN für den Einsatz im Forschungskontext eignet, wobei bei Anwendung der beiden Paralleltestformen die geringe Paralleltest-Reliabilität beachtet werden muss. Als zukünftiges Forschungsvorgehen im Projekt ist geplant, Erzählfähigkeit auf ihr Potenzial zur Vorhersage der sprachlichen Entwicklung drei- bis sechsjähriger mehrsprachig aufwachsender Kinder zu untersuchen.

2021.3ORG lautenschlaeger et al 164_173



3/2021

Therapie der Erzählfähigkeit: Gemeinsam üben, Geschichten zu erzählen

Eine Evaluationsstudie

Jule Hofacker und Rachel Bamberger

Auffälligkeiten der narrativen Fähigkeiten machen einen Teil der Sprachentwicklungsstörungen aus. Jedoch erschwert der Mangel an Methoden und deren Wirksamkeitsnachweisen die Therapie dieser Störungen im deutschsprachigen Raum. Innerhalb einer Evaluationsstudie wurde der Effekt der aus dem Niederländischen übersetzten Methode „Schildkröte und Affe – Gemeinsam üben, Geschichten zu erzählen“ (Van den Berk-Daemen & Langens, 2015) im Rahmen eines therapeutischen Einsatzes mit Vor- und Nachmessung an 24 deutschsprachigen, regelrecht entwickelten Kindern im Alter zwischen 5;1 und 6;3 Jahren untersucht. Zwölf davon erhielten Intervention
mit der Methode, die anderen zwölf bildeten die Kontrollgruppe. In der Interventionsgruppe wurden mit Hilfe des Programms wichtige Makrostrukturelemente der Erzählfähigkeit erarbeitet. In der Vor- und Nachmessung erzählten alle Kinder dieselbe, ungeübte Bildgeschichte. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Erzählleistungen der Kinder der Interventionsgruppe im Gegensatz zu denen der Kontrollgruppe signifikant verbessert haben. Die Leistungen beider Gruppen nach der Intervention waren unterschiedlich hoch, die Differenz war jedoch statistisch nicht signifikant. Diese Resultate geben einen ersten Aufschluss über die Wirksamkeit der Methode. Es werden noch weitere Studien benötigt, um aussagekräftigere Ergebnisse zu erhalten. Diese sollten über einen längeren Zeitraum, mit einer größeren ProbandInnenanzahl und Kindern mit auffälligen narrativen Fähigkeiten durchgeführt werden.

2021.3ORGBambergerHofacker 174-183


 

2/2021

Kasusfähigkeiten mehrsprachiger Achtjähriger

Eine explorative Pilotuntersuchung in Regelgrundschulen

Tanja Ulrich, Sarah Thater und Sandra Mennicken

Ziel der explorativen Pilotstudie war es, die Kasuskorrektheit mehrsprachiger DrittklässlerInnen in Regelgrundschulen zu erfassen. An der Untersuchung nahmen N=38 Kinder (n=20 Kinder simultan mehrsprachig, n=18 Kinder sukzessiv mehrsprachig) im Alter von acht Jahren teil. Die Korrektheit der Akkusativ- und Dativmarkierungen wurde im Rahmen von Elizitationsaufgaben erhoben und ergänzend die Genussicherheit der Kinder bestimmt sowie die Kapazität der phonologischen Schleife überprüft. In beiden Kasuskategorien weisen die Korrektheitswerte insgesamt eine hohe Varianz auf; dies gilt in besonderer Weise für den Dativ. Kinder mit simultan mehrsprachigem Erwerb erreichen im Mittel höhere Korrektheitswerte als diejenigen mit sukzessivem Erwerb. Keine der beiden Gruppen schließt bis zum Alter von acht Jahren an Referenzwerte monolingual deutschsprachiger Kinder an; vielmehr lassen sich die Korrektheitswerte mit denen monolingual aufwachsender Kinder im Alter von vier Jahren vergleichen. Die Fehlermuster entsprechen weitestgehend denen, die aus dem monolingualen Kasuserwerb berichtet werden. Mögliche Implikationen für Diagnostik und Förderung im mehrsprachigen Erwerb werden diskutiert.

2021.2ORGUlrich 84-95



1/2021

Sprachentwicklung von Late Talkers bis ins Schulalter:

Langzeiteffekte einer frühen systematischen Elternanleitung

Anke Buschmann und Christina Gertje

Im Rahmen einer Längsschnittstudie wurde die sprachliche Entwicklung ehemaliger Late Talkers (LT) bis ins Schul- alter untersucht. Hierzu wurden Kinder, die mit 24 Monaten eine isoliert expressive oder rezeptiv-expressive Sprachentwicklungs- verzögerung aufwiesen, randomisiert einer Interventionsgruppe (IG n=22) und einer unbehandelten Kontrollgruppe (KG n=22) zugewiesen. Es erfolgte eine standardisierte Untersuchung des produktiven Wortschatzes, der Grammatik und des Sprachverständnisses im Vergleich zu einer Stichprobe alterstypisch entwickelter Nicht-Late Talkers (NLT n=24). Nach der Eingangsdiagnostik nahmen die Müt- ter der IG an dem dreimonatigen „Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung“ (HET Late Talkers) teil. Die Kinder aller drei Gruppen wurden mit zweieinhalb, drei, vier und fünf Jahren sowie am Ende der zweiten Klasse nachuntersucht. Die Gruppen- vergleiche mittels Varianzanalysen ergaben für die drei getesteten Sprachbereiche signifikante Interaktionen zwischen Zeit und Gruppe. Post-hoc-Tests zeigten, dass die KG zu allen Messzeitpunkten über signifikant niedrigere sprachliche Fähigkeiten in Wortschatz und Grammatik verfügte als die NLT. Dagegen unterschied sich die IG ab dem Alter von drei Jahren nicht mehr von den NLT im produktiven Wortschatz und im Sprachverständnis, ab vier Jahren auch nicht mehr in den grammatischen Fähigkeiten. Zwischen der IG und der KG zeigten sich im Wortschatz mit drei Jahren und in der Grammatik mit vier Jahren signifikante Unterschiede zugunsten der IG. Zudem gab es in der IG nach der Intervention zu jedem Messzeitpunkt pro- zentual mehr Kinder mit altersentsprechenden Resultaten in den Sprachtests als in der KG. Die Ergebnisse belegen die Effektivität des HET in Bezug auf eine langfristige Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten von LT.



4/2020 

WAI-SR: Ein Messinstrument zur Erfassung der sprachtherapeutischen Beziehung?

Rieke Schlüter, Maraike Krebs, Julia Göldner, Miriam Schaalo und Julia Adam

Die Beziehung zwischen PatientIn und LogopädIn/SprachtherapeutIn wird in der Therapieforschung bisher wenig berücksichtigt. Es besteht jedoch die Annahme, dass das Behandlungsergebnis von der Qualität der therapeutischen Beziehung beeinflusst wird. Disziplinspezifische Messinstrumente, die zur Erforschung der therapeutischen Arbeitsbeziehung in der Logopädie/Sprachtherapie erforderlich wären, fehlen bislang. Das Working Alliance Inventory (WAI) ist ein psychotherapeutisches Messinstrument zur Erfassung der therapeutischen Arbeitsbeziehung in der Therapie mit Erwachsenen. Da es auf dem schulenübergreifenden Konzept nach Bordin (1979) basiert, stellt sich die Frage, ob und inwiefern es auch in der logopädischen/sprachtherapeutischen Forschung Anwendung finden könnte. In einer Online-ExpertInnenbefragung wurde die Eignung der zwölf Items der deutschen Kurzversion des WAI (WAI-SR) anhand einer fünfstufigen Likert-Skala überprüft. Auf Grundlage der Befragung von 13 ExpertInnen wurden sieben der WAI-SR-Items als geeignet ermittelt, die weiteren fünf Items scheinen die logopädische/sprachtherapeutische Arbeitsbeziehung weniger gut abzubilden. Eine disziplinspezifische Weiterentwicklung des WAI-SR für die Logopädie/Sprachtherapie sollte angestrebt werden

2020.4Schlueteretall244-252


 

3/2020

Handlungskompetenz in der praktischen Logopädieausbildung

Eine qualitative Studie zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz nach dem Kompetenzprofil für Logopädie aus der Sicht von LehrlogopädInnen

Franziska Zimmermann und Ulrike Marotzki

Dieser Beitrag stellt eine qualitative Masterarbeit, die sich mit dem Thema „Kompetenzorientierung und -erwerb in der praktischen Logopädieausbildung“ beschäftigt hat, vor und präsentiert deren Ergebnisse.
Der theoretische Rahmen wird durch den derzeitigen Reformprozess der Ausbildung bestimmt. Es wird davon ausgegangen, dass eine kompetenzorientierte praktische Ausbildung einen Beitrag zur Professionalisierung
der Logopädie leistet. Im Fokus dieser Arbeit steht das Kompetenzprofil für Logopädie (Rausch, Thelen, & Beudert, 2014). Ziel der Masterarbeit war es herauszufinden, wie dieses in die Ausbildung verschiedener Schulen
implementiert wird und was aus Sicht der InterviewpartnerInnen zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz von SchülerInnen beiträgt. Da die Masterarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst
(HAWK) in Hildesheim durchgeführt wurde, beschränkt sich die Analyse auf die Ausbildungssituation in Niedersachsen. Es wurden sechs qualitativ
fokussierte Interviews mit Lehrenden an Berufsfachschulen durchgeführt. Aus diesen konnte in Anlehnung an die Grounded Theory ein Modell entwickelt werden, welches logopädische Handlungskompetenz empirisch
konzeptualisiert und erste Bedingungen und Aktivitäten umfasst, die zur Entwicklung dieser beitragen. Es zeigte sich, dass es in der Ausbildung für
SchülerInnen vor allem darum geht, „einen Blick“ zu entwickeln, welcher sich zwischen den Kompetenzen „zu wissen, wie“ und „anwenden können“ herausbildet. Das entwickelte Modell kann zur Orientierung und Reflexion
für Lehrende und Lernende in der Logopädie herangezogen werden.

2020.3ORG ZimmermannMarotzki164_175


 

2/2020

Europaweite Umfrage zur Intervention bei Kindern mit SES:

Ergebnisse aus Deutschland zur theoretischen Fundierung in der Sprachtherapie

Elisabeth Beckermann und Christina Kauschke

In einer europaweit angelegten Fragebogenstudie wurden die Bedingungen und Kontexte erfasst, unter denen sprachtherapeutische Interventionen bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen (SES) durchgeführt werden. In Deutschland füllten 252 PraktikerInnen den Fragebogen aus. Neben zahlreichen anderen Aspekten wurde auch die Rolle des theoretischen Hintergrunds bei der Planung und Durchführung von Interventionen erfragt. Das Wissen über den Zusammenhang zwischen theoretischem Rahmen und Therapieansatz ist für die evidenzbasierte Praxis ein wesentlicher Aspekt einer wissenschaftlichen Grundhaltung. Im Zuge der Diskussion um die Akademisierung der Sprachtherapie stellt sich die Frage, ob akademisch ausgebildete TherapeutInnen in ihrer Arbeit stärker durch theoretische Überlegungen beeinflusst werden als solche ohne akademischen Abschluss. Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse der Umfrage aus Deutschland zu diesem Thema vor. Insgesamt zeigte sich, dass PraktikerInnen insbesondere sprachspezifische und kindzentrierte Ansätze anwenden und deren theoretische Hintergründe meist berücksichtigen. Allgemeine Spracherwerbstheorien beeinflussen die praktische Arbeit hingegen weniger. In Bezug auf den Einsatz verschiedener Therapieansätze und die Beeinflussung durch Theorien unterschieden sich AkademikerInnen und Nicht-AkademikerInnen nicht signifikant voneinander. Es zeigten sich jedoch einige Tendenzen, die auf geringfügige Unterschiede in der theoretischen Ausrichtung hinweisen.

2020.2ORG_BeckermannKauschke84_92


 

1/2020

Sprachliche Besonderheiten in der Spontansprache von PatientInnen mit Depression

Lisa Klaar, Arne Nagels, Tilo Kircher und Frank Domahs

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die durch Bildbeschreibungen elizitierte Spontansprache von 45 PatientInnen mit Depression und 31 gesunden Kontrollpersonen hinsichtlich sprachlicher Besonderheiten untersucht und verglichen. Dazu wurden ausgewählte lexikalische (Satzabbrüche, Auslassungen, Paraphasien) und syntaktische (Satzverschränkungen, fehlerhafte Subjekt-Verb- Kongruenz oder Wortstellung) Phänomene kodiert und ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen ein signifikant höheres Aufkommen von Satzverschränkungen, inadäquaten Auslassungen und morphosyntaktischen Fehlern in der PatientInnengruppe im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen. Die Spontansprache von Personen mit Depression beinhaltete darüber hinaus signifikant weniger adäquate Auslassungen (Ellipsen) als die der Kontrollgruppe. Der klinisch-linguistische Blickwinkel auf das psychiatrische Störungsbild der Depression soll helfen, die komplexen Symptome betroffener Personen auf interdisziplinärer Ebene besser zu erschließen.

2020.1ORG_Klaar et al_4_12

 



 

4/2019

Kommunikationsbezogene Lebensqualität bei Dysarthrie

– Validierung eines Selbsteinschätzungsbogens

Verena Schrader, Ulla Beushausen und Thomas Schöttker-Königer

 Die deutsche Version des „Quality of Life in the Dysarthric Speaker“ (QoL-Dys-G) ist das erste deutschsprachige Instrument, das die kommunikative Lebensqualität aus Sicht von PatientInnen erfasst. Der Bogen umfasst 40 Items und ist in vier Blöcke unterteilt: Eigenschaften des Sprechvermögens, schwierige Situationen, Kompensationsstrategien und die Wahrnehmung der Reaktionen von Anderen. In einem Vorprojekt wurde der Bogen aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt. In einer Validierungsstudie füllten 34 ProbandInnen mit einer Dysarthrie und 34 ProbandInnen ohne Dysarthrie (Kontrollgruppe) die deutsche Version des QoL-Dys-G, den Voice Handicap Index (VHI) und den Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36) aus. Die interne Konsistenz wurde mit Cronbachs Alpha berechnet. Die Untersuchung der konvergenten und divergenten Konstruktvalidität erfolgte durch die Betrachtung der Korrelationen der einzelnen Items zu den Summenwerten der vier Blöcke des Bogens und die Known-groups-Validität wurde durch den Vergleich mit der Kontrollgruppe ermittelt. Die Kriteriumsvalidität wurde mittels Korrelationen nach Spearman (r) bestimmt. Die interne Konsistenz des Bogens ist hoch und für die konvergente und divergente Konstruktvalidität wurden zufriedenstellende Werte erreicht. Der Vergleich mit der Kontrollgruppe wies signifikante Unterschiede auf, mit Ausnahme des Blocks „Kompensationsstrategien“. Bei der Ermittlung der Kriteriumsvalidität zeigten sich mit dem VHI für fast alle Subskalen signifikante und überwiegend hohe Korrelationen und mit dem SF-36 waren viele Korrelationen für einzelne Subskalen nicht signifikant und von der Stärke her nur moderat. Die deutsche Version des QoL-Dys-G ist ein intern konsistentes Instrument mit überwiegend zufriedenstellender Konstrukt- und Kriteriumsvalidität zur Bestimmung der kommunikativen Lebensqualität von Menschen mit Dysarthrie.

2019ORG Schrader et al online1


 

3/2019

Einsatz von Sprachausgabegeräten und -applikationen bei Kindern mit Autismus

Eine Übersichtsarbeit zur Verbesserung kommunikativer Fähigkeiten bei Vorschulkindern im Alter von vier bis sechs Jahren

Sarah Bohe

Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind häufig von schweren Kommunikationsbeeinträchtigungen betroffen, die im Vorschulalter bedeutend häufiger als in anderen Altersklassen vorkommen. Hierbei rückt der Einsatz von Sprachausgabegeräten (SAGE) und handelsüblichen elektronischen Geräten mit Sprachausgabeapplikationen zur Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten immer mehr in den Fokus der Forschung. Ziel der Arbeit ist es, die elektronischen Hilfsmittel der Unterstützten Kommunikation (UK) hinsichtlich ihres Einflusses auf die Kommunikationsfähigkeit von vier- bis sechsjährigen Vorschulkindern mit ASS zu untersuchen. Durch eine systematische Literaturrecherche konnten 42 Studien ermittelt werden, von denen fünf die festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten und somit in die Übersichtsarbeit eingeschlossen wurden. Alle zeigten eine Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten durch Sprachausgabegeräte und -applikationen und stützen damit die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass mit der Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten eine Abnahme des herausfordernden Verhaltens einherging. Um die Evidenzlage zu verbessern und zusätzliche, bisher unbeachtete relevante Gesichtspunkte zu untersuchen, sind zukünftige Forschungsarbeiten vonnöten.

2019.3ORG_Bohe_164_173


 

2/2019

Lexikalisch-semantische Fähigkeiten Erwachsener mit Down-Syndrom

Bernadette Witecy und Martina Penke

Der Beitrag befasst sich mit den lexikalisch-semantischen Fähigkeiten von Erwachsenen mit Down-Syndrom (DS; Trisomie 21). Betrachtet werden der produktive und rezeptive Wortschatz, die Qualität der lexikalisch-semantischen Repräsentationen und der Einfluss von kognitiven Faktoren wie dem nonverbalen mentalen Alter und dem verbalen Kurzzeitgedächtnis auf die lexikalischen Fähigkeiten. Mit 27 Erwachsenen mit DS im Alter von 20 bis 40 Jahren wurden standardisierte Verfahren zur Erhebung des produktiven und rezeptiven Wortschatzes durchgeführt. Zudem wurde das jeweilige nonverbale mentale Alter erhoben und das verbale Kurzzeitgedächtnis überprüft. Es erfolgten sowohl quantitative Auswertungen als auch eine qualitative Analyse der Fehler in der Wortproduktion. Die ProbandInnen schnitten im Wortverstehen besser ab als in der Wortproduktion. In der rezeptiven Modalität entsprachen die Ergebnisse dem nonverbalen Entwicklungsstand oder gingen darüber hinaus. Auch in der Wortproduktion erreichten mindestens zwölf ProbandInnen dem nonverbalen mentalen Alter entsprechende Werte. Regressionsanalysen gaben Hinweise auf Zusammenhänge der Wortschatzleistungen mit der nonverbalen Kognition und dem verbalen Kurzzeitgedächtnis. Die für die Mehrheit der ProbandInnen gefundene Dissoziation zwischen dem rezeptiven und dem produktiven Wortschatz und die Analyse der Benennfehler legen nahe, dass es qualitative Einschränkungen im Lexikon gibt, die sich nicht auf die Wortformebene beschränken, sondern auch im Bereich des Bedeutungswissens zu suchen sind.

2019.2ORGwitecyPenke_84_95

4

 

1/2019

Kinder mit globaler Entwicklungsstörung

Sprachlich-kommunikative Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Belastungserleben der Eltern

Falko Dittmann, Anke Buschmann, Dorothee von Maydell und Heike Burmeister

Kinder mit einer globalen Entwicklungsstörung (GES) zeigen deutliche Verzögerungen in ihrer Kommunikations- und Sprachentwicklung. Diese Defizite korrespondieren häufig mit Auffälligkeiten im Verhalten und der Selbstregulation der Kinder. In der vorliegenden Studie wurden die kommunikativ-sprachlichen Profile von Kindern (n=53) mit GES unterschiedlicher Genese erhoben. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen ihren rezeptiven und expressiven Sprachfähigkeiten sowie kommunikativen Fähigkeiten und der empfundenen Belastung der Eltern. Von besonderem Interesse in diesem Bedingungsgefüge war zudem die Rolle von Auffälligkeiten im Verhalten und der Selbstregulation der Kinder. Die Ergebnisse zeigen: Je geringer die kommunikativen Fähigkeiten sowie die rezeptiven Sprachfähigkeiten der Kinder waren, desto höher schätzten die Eltern ihre Belastung ein. Zwischen den expressiven Sprachfähigkeiten und der elterlichen Belastung fand sich kein Zusammenhang. Auffälligkeiten im Verhalten und der Selbstregulation standen in einem engen positiven Zusammenhang zur Belastung der Eltern und nahmen eine vermittelnde Rolle im Zusammenhang zwischen den kommunikativen Fähigkeiten der Kinder und der elterlichen Belastung ein. Die Ergebnisse implizieren die Notwendigkeit einer Frühintervention mit dem Ziel, die Kinder frühestmöglich in ihrer kommunikativen Entwicklung zu unterstützen und das Sprachverständnis zu erweitern. Hierfür werden abschließend mögliche Ansätze dargestellt.

2019.1DittmanEtAl_4-20


 

4/2018

Modellgeleitete und kognitiv orientierte Diagnostik
erworbener Dyslexien mit DYMO

Rebecca Schumacher, Frank Burchert und Irene Ablinger

DYMO (DYslexien MOdellorientiert) ist ein umfangreiches Diagnostikinstrument zur Untersuchung erworbener Lesestörungen bei deutschsprachigen PatientInnen. Das Instrument basiert auf den theoretischen Annahmen des
Zwei-Routen-Modells des Lesens und prüft alle modellrelevanten Komponenten der visuellen Wortverarbeitung in 16 verschiedenen Untertests. Erstmals werden hierbei Subkomponenten der Visuellen Analyse sowie der segmentalen Route berücksichtigt. Das Material ist nach verschiedenen linguistischen Variablen kontrolliert (Frequenz, Konkretheit, Wortklasse, Wortlänge und graphematische Komplexität). DYMO ermöglicht somit eine detaillierte, individuelle und störungsortbezogene diagnostische Einordnung erworbener Dyslexien. In der vorliegenden Arbeit werden das Diagnostikmaterial und die Testauswertung ausführlich vorgestellt und anhand eines Patientenbeispiels erläutert.

2018.4Schumacher et al244_253


 

3/2018

Der Outcome in der Dysphonietherapie mit Erwachsenen

Gunhild Rohnke

Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass in der Stimmtherapieforschung Ergebnisse nachgewiesen werden können. Die Heterogenität der Studienlandschaft sowie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse stellen eine Herausforderung dar. Dieser Artikel berichtet über aktuell beschriebene multiaxiale Outcomeparameter in der Dysphonietherapie mit Erwachsenen. Mittels Datenbankrecherche wurden zu dieser Thematik alle quantitativen prospektiven Studien der Jahre 2010 bis 2014 inkludiert: randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), kontrollierte Studien, prospektive Studien ohne Kontrollgruppe und eine Einzelfallstudie. Nach Filterung konnten 25 Studien einbezogen werden. Alle Studien und ihre Merkmale wurden systematisch und strukturiert auf ihre vielschichtigen Outcomes untersucht. Die Ergebnisdarstellung erfolgt mit Hilfe der „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses” (PRISMA-Statement). Es gibt Evidenz, die mittels Poweranalyse und signifikantem Gruppenunterschied belegt wird, Evidenz ohne Poweranalyse, aber mit signifikantem Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe und es lässt sich Evidenz im Sinne eines signifikanten Unterschiedes vor und nach der Dysphonietherapie nachweisen. Die Ergebnisse werden im Rahmen des Verständnisses der Stimmtherapie als komplexe Intervention, unter besonderer Berücksichtigung der Poweranalyse und im Vergleich mit anderen Übersichtsarbeiten diskutiert.

2018.3Der Outcome in der Dysphonietherapie mit Erwachsenen


 

3/2018

Kommunikative Partizipation von Kindern im Vorschulalter

- Erste deutsche Referenzdaten zum ‚Fokus auf den Erfolg der Kommunikation
für Kinder unter sechs Jahren‘ (FOCUS©-G)

Sandra Neumann, Sandra Salm, Bernadette Robertson und Nancy Thomas-Stonell

Der deutsche ‚Fokus auf den Erfolg der Kommunikation für Kinder unter sechs Jahren‘ (FOCUS©-G) ist ein Fragebogen zur elterlichen und therapeutischen Fremdeinschätzung der kommunikativen Partizipation von Kindern im Alter von 1;6 bis 5;11 Jahren. Er dient sowohl zur Umsetzung der ICF-CY in der Therapiezielplanung wie auch als Therapy Outcome Measure (TOM). Ziel der Studie war die Erhebung von ersten Referenzdaten für die Elternversion des neuen FOCUS©-G in Bezug auf sich typisch entwickelnde Kinder (TEK) sowie auf Kinder mit Sprechbeeinträchtigungen (KSB; Aussprachestörung, LKGS-Fehlbildung, Stottersymptomatik). Eltern von TEK und KSB wurden in 13 Kindergärten in NRW, 15 sprachtherapeutischen Praxen sowie in den Universitätskliniken Köln und Bonn rekrutiert. Sie füllten die Elternversion des FOCUS©-G und einen Demografie-Bogen (inkl. Winkler Sozialschichtindex) aus. Insgesamt konnten Daten von 239 Eltern von TEK (n=154) und KSB (n=85) im Alter von 3;0 bis 5;11 Jahren (M=4,11 J.; SD=0,84 J.; 136 Jungen, 103 Mädchen) erhoben werden. Die TEK zeigten einen FOCUS©-G-Gesamtwert von M=301,18 (SD=32,51), während die Gruppe der KSB einen hochsignifikant (p<.01) niedrigeren Gesamtwert erreichte (M=267,39; SD=56,61). Die neun Profilwerte des FOCUS©-G lagen bei den TEK zwischen M=5,59 und 6,24, bei den KSB nur zwischen M=4,61 und 5,94. Es wurden Alters- und Geschlechtseffekte sowie Zusammenhänge der FOCUS©-G-Werte mit soziodemografischen Merkmalen geprüft und bestätigt. Die deutschen Referenzdaten zur kommunikativen Partizipation von Vorschulkindern mit und ohne Sprechbeeinträchtigung ermöglichen erstmals den Einsatz des FOCUS©-G als ICF-CYorientiertes Assessment in der sprachtherapeutischen Praxis

2018.3NeumannEtAl176_185


 

2/2018

Phonemerwerb monolingualer und mehrsprachiger Kinder im Vorschulalter

Jessica Melzer, Anja Ring, Franz Petermann und Julia-Katharina Rißling

Mehrsprachigkeit ist kein vereinzelt beobachtetes Phänomen mehr, sondern in Deutschland Normalität in Gesellschaft, Kultur und Pädagogik. Die vorliegende Studie untersucht, ob und inwiefern sich eine mehrsprachige Entwicklungsumgebung auf den Phonemerwerb von Kindern zwischen drei und fünf Jahren auswirkt. Hier wurde das Phoneminventar im Hinblick auf die Korrektheit der Konsonantenrealisierungen in verschiedenen Phonemklassen des deutschen Phonemsystems untersucht. Zusätzlich wurden die Fähigkeiten auf Wortebene als Referenzwert analysiert. Untersucht wurden N=90 Kinder (n=30 bilingual türkisch-deutsch, n=30 bilingual russisch-deutsch und n=30 monolingual deutsch). Die Gruppen setzen sich jeweils zu einem Drittel aus Drei-, Vier- und Fünfjährigen zusammen. Die Ergebnisse zeigen keine statistisch bedeutsamen Unterschiede in der Zusammensetzung der konsonantischen Phoneminventare der untersuchten Kinder. Gleichzeitig konnten aber signifikante Wortschatzdefizite für die mehrsprachigen Untersuchungsgruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe aufgedeckt werden. Diese Resultate werden insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung für die diagnostische Abgrenzung von Sprachförder- und Sprachtherapiebedarf diskutiert

2018.2ORGMelzerEt_hp


 

1/2018

Die Entwicklung des produktiven Wortschatzes von Kindern und Jugendlichen mit Down Syndrom

– Ein systematisches Review

Anika Darmer

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung des produktiven Wortschatzes von Kindern und Jugendlichen mit Down Syndrom und den dafür relevanten Einflussfaktoren. Auf der Basis einer kriteriengeleiteten, systematischen Datenbankrecherche wurden mehr als 240 Publikationen gesichtet. Die Ergebnisse von 45 Studien bezüglich der frühen lexikalischen Entwicklung bis zur 50-Wort-Grenze, der Verwendung von Handzeichen und Wortkombinationen sowie der lexikalischen Entwicklung ab dem Schulalter werden vorgestellt und in Beziehung gesetzt, anschließend lexikalische Prozesse bei Kindern mit Down Syndrom in ein Modell der Bedingungen semantisch-lexikalischer Fähigkeiten von Glück und Elsing (2014a) eingeordnet und diskutiert. Folgende Erkenntnisse lassen sich festhalten: a) Personen mit Down Syndrom sind von einem zunehmenden produktiven Wortschatzdefizit betroffen. b) Das lexikalische Entwicklungsalter entspricht in der Kindheit zunächst der Hälfte, ab der frühen Jugend jedoch eher einem Drittel des chronologischen Alters. c) Der Erwerb lexikalischer Einheiten scheint nicht generell gestört zu sein, vielmehr erfolgen Speicherung und Abruf durch Einschränkungen der phonologischen Informationsverarbeitung weniger effektiv. Der therapeutische Zugang sollte demnach vor allem über eine schwerpunktmäßig phonologische Elaborationstherapie und Übungen zum Wortabruf erfolgen.

2018.1DarmermitTab


 

4/2017

Inputorientierte Therapie der Verbzweitstellung bei Kindern mit Grammatikstörungen

Julia Siegmüller, Jeannine Baumann und Lara Höppe

In diesem Beitrag werden zwei Studien zur inputorientierten Therapie der Verbzweitstellung präsentiert, die auf der Basis des Patholinguistischen Ansatzes entwickelt wurden. Der theoretische Rahmen ist durch das Emergenzmodell umschrieben. Zur eindeutigen Definition der verwendeten syntaktischen Hinweisreize im therapeutischen Input wird auf das funktionale Kategoriensystem von Peter Jordens (2012) zurückgegriffen. Zunächst wird eine Gruppenstudie präsentiert, die einen primären Beleg für die Wirksamkeit inputorientierter Grammatiktherapie erbringt. Es werden zehn altersgleiche und syntaktisch im vergleichbaren Maß auffällige Kinder, aufgeteilt in eine therapierte Zielgruppe und eine untherapierte Kontrollgruppe, verglichen. Die Ergebnisse weisen auf eine zuverlässige Wirkung der Therapie hin, da die Kinder der Zielgruppe im Posttest einen signifikanten Anstieg von Äußerungen mit Verbzweitstellung aufwiesen. Anschließend werden Daten zur experimentellen Therapieforschung präsentiert, die sich der Intensitäts- oder Dosierungsdebatte zuwenden (Baker, 2012). Untersucht werden die einflussnehmenden Faktoren „Alter des Kindes zu Therapiebeginn“ und Dosisfrequenz (wie schnell folgen Therapiesitzungen aufeinander). Die Ergebnisse weisen auf eine Altersabhängigkeit hinsichtlich der Anzahl der benötigten Sitzungen hin.

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4/2017

Flexion attributiver Adjektive bei Kindern mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung

Tobias Ruberg

Kinder mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) haben Schwierigkeiten bei der Genusund Kasusflexion von Artikeln. Die vorliegende Studie untersucht auf Basis elizitierter Daten, inwiefern bei einsprachigen Kindern mit einer SSES im Alter von fünf bis sechs Jahren im Vergleich zu gleichaltrigen und drei- bis vierjährigen typisch entwickelten Kindern auch die Flexion attributiver Adjektive in Nominativkontexten beeinträchtigt ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder mit einer SSES attributive Adjektive deutlich seltener korrekt flektieren als gleichaltrige typisch entwickelte Kinder. Diese Fehler können die Folge von Fehlern bei der Kasuszuweisung, der Genuskongruenz und der Genuszuweisung sein. Darüber hinaus produzieren einige Kinder mit SSES gehäuft unflektierte Adjektive. Die Kinder mit SSES zeigen allerdings kein einheitliches Fehlerprofil. Im Hinblick auf Fehlerhäufigkeiten und Fehlertypen verhalten sie sich wie drei- bis vierjährige typisch entwickelte Kinder.

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3/2017

Einsatz und Auswirkungen von Kommunikationsstrategien der KommunikationspartnerInnen von Personen mit Dysarthrie

Isabell Napp und Ulla Beushausen

Durch eine Dysarthrie kann es zu einer veränderten Kommunikation zwischen der betroffenen Person und ihren GesprächspartnerInnen kommen. Daher sollten alle Beteiligten einen gezielten Einsatz von Kommunikationsstrategien erlernen. Für den nachfolgenden Artikel wurde diesbezüglich eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um Strategien, die in Alltagsgesprächen von KommunikationspartnerInnen gegenüber Personen mit einer Dysarthrie eingesetzt werden, zusammenzutragen und ihre Auswirkungen auf Verständigungsprobleme zu analysieren. Alle gefundenen Kommunikationsstrategien wurden in elf Kategorien eingeteilt. Es zeigte sich, dass die Wahl der Strategien meistens intuitiv und oft nicht optimal von den KommunikationspartnerInnen getroffen wird. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit legen nahe, dass durch professionelle Anleitung sowohl der Person mit Dysarthrie als auch deren GesprächspartnerInnen Verbesserungen in der Kommunikation erzielt werden können. Es werden weitere Forschungsfelder aufgezeigt und Anregungen zur Entwicklung von entsprechenden Therapieprogrammen gegeben.

2017.3NappBeushausen164_169HPs


 

3/2017

„Beyond randomized control“

Plädoyer für mehr inhaltliche Transparenz, Systematik und Programmatik in der Sprachtherapieforschung bei SSES

Jürgen Cholewa und Julia Siegmüller

Randomisierte kontrollierte Studien haben bisher unklare undifferenzierte Antworten auf die Frage nach der Wirksamkeit von Sprachtherapie bei Spezifischen Sprach - entwicklungsstörungen (SSES) erbracht. Fortschritte in diesem Forschungsbereich werden besonders durch die Heterogenität und Intransparenz des Studienpools behindert. Experimentelle Variablen, d.h. Ein- und Ausschlusskriterien, Zielsetzungen, Inter- ventionsmethoden und Veränderungsmaße gelten als uneinheit- lich und nicht vor einem kohärenten theoretischen Bezugsrahmen operationalisiert. Die Heterogenität in den Forschungsansätzen verwundert nicht, führt man sich die Komplexität der kognitiven Verarbeitungs- prozesse vor Augen, die dem Verstehen und der Produktion von Sprache zugrunde liegen. Denn SSES kann durch unterschiedliche Spracherwerbs- bzw. -verarbeitungsdefizite verursacht werden und der Vielfalt in den kognitiven Verursachungshintergründen ist bei der Planung von Interventionen Rechnung zu tragen. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Modelle und Konzepte helfen könnten, um Forschungsaktivitäten im Sinne eines programmatischen Forschungsstils besser nachvollziehbar zu machen, zu bündeln und zu vernetzen

2017.3ORGCholewaSiegm84_95


 

2/2017

Numerusinformation vereinfacht das Satzverständnis:

Querschnittsuntersuchungen zum Verständniserwerb von transitiven Sätzen mit Wortstellungsvariation

Maja Stegenwallner-Schütz und Flavia Adani

Sätze mit einer nicht-kanonischen Wort- stellung (d.h. für das Deutsche, dass deren Wortstellung nicht der Subjekt-Verb-Abfolge im Hauptsatz entspricht) werden im unauffälligen Spracherwerb erst spät erworben. Kinder mit Sprach- auffälligkeiten haben oft noch im Schulalter Schwierigkeiten, diese Sätze korrekt zu verstehen. Neuere Arbeiten haben aber gezeigt, dass Unterschiede in den markierten morphosyntakti- schen Eigenschaften der Nomen (z.B. Numerus) das Verständnis komplexer transitiver Sätze vereinfachen können (z.B. wenn eines singularisch ist und das andere pluralisch). Wir berichten zwei Studien zum Verständnis von deutschen und englischen Sätzen mit kanonischer und nicht-kanonischer Wortstellung, in denen das Satzverständnis mit Satz-Bild-Zuordnungsaufgaben untersucht wurde. Die Studien haben zum Ziel, (a) den vereinfachenden Einfluss eines Numerusunterschiedes auf Objekt-Verb-Subjekt-Abfolgen zu replizieren und dabei einen Entwicklungsverlauf abzubilden und (b) bei Kindern mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) zu überprüfen, ob sie von Numerusunterschieden hinsicht- lich des Satzverständnisses profitieren. Dabei zeigen die Kinder ein besseres Verständnis von Sätzen, in denen sich der Numerus des Subjekts (und entsprechend die Numerusmarkierung des Verbs) von dem des Objekts unterscheidet (Singular und Plural, wie z. B. Der Oma winken die Polizisten), im Vergleich zu solchen Sätzen, in denen Subjekt und Objekt den gleichen Numerus haben. Numerusunterschiede vereinfachen sowohl das Satzverständnis von drei- bis sechsjährigen unauffällig entwickelten Kindern als auch das von Kindern mit einer SSES. Aus diesen Ergebnissen lassen sich therapeutische Vorgehensmöglichkeiten ableiten, die der Behandlung des eingeschränkten Verständnisses komplexer, nicht-kanonischer Sätze dienen. 

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1/2017 

Grammatikentwicklung von Kindern mit SSES in den ersten beiden Schuljahren

Margit Berg und Bettina Janke

Kinder mit Spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES) zeigen im Schulalter häufig gravierende morphologische und syntaktische Entwicklungsrückstände. Der Artikel beschreibt die grammatischen Fähigkeiten von GrundschülerInnen mit SSES (n=90), die in einer Längsschnittstudie (Ki.SSES-Proluba) von der Einschulung bis zum Ende der zweiten Klasse erhoben wurden. Es zeigt sich, dass im Vergleich zu sprachunauffälligen Gleichaltrigen durchgehend ein mehrjähriger Entwicklungsrückstand vorliegt. Dieser betrifft nicht nur die Grammatikproduktion, sondern auch das Satzverständnis. Sowohl Kinder mit SSES, die eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Sprache besuchen, als auch diejenigen, die inklusiv in einer allgemeinen Grundschule beschult werden, zeigten im Untersuchungszeitraum intraindividuell signifikante Fortschritte in der Grammatikentwicklung. Sie konnten jedoch bis zum Ende der zweiten Klasse den Rückstand gegenüber sprachunauffälligen Kindern nicht aufholen.

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1/2017

Subjekt-Verb-Kongruenz bei schwerhörigen Kindern

Monika Rothweiler und Martina Penke

Der Beitrag befasst sich mit dem Grammatikerwerb von Kindern mit einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit. Diese Kinder sind zwar mit Hörgeräten versorgt, können aber damit den Hörverlust, besonders für stimmlose Obstruenten im Hochfrequenzbereich (wie /s/ und /t/), nicht vollständig kompensieren. Daher stellt sich die Frage, ob die eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit für diese Konsonanten Einfluss auf ihren Erwerb und damit auf den Erwerb von Flexionsmorphemen hat, insbesondere für die Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK). In der Studie wurde untersucht, wie drei- und vierjährige mit Hörgeräten versorgte Kinder mit einer sensorineuralen Schwerhörigkeit den Erwerb der SVK meistern, die von hörenden Kindern typischerweise im dritten Lebensjahr erworben wird. Bei 19 drei- bis vierjährigen Kindern mit einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit und 19 gleichaltrigen normalhörenden Kindern wurden sowohl die Produktion der relevanten Konsonanten in wortfinaler Position als auch die produktive Verwendung von SVK-Flexiven überprüft. Die schwerhörigen Kinder erzielten für die Phoneme /s/ und /t/ ebenso wie für die SVK-Flexive -s(t) und -t in obligatorischen Kontexten signifikant niedrigere Korrektheitswerte als für die Phoneme /n/ und /m/ bzw. für das Flexiv -n. Während es keinen Unterschied in den Korrektheitswerten für die Nasale bzw. das Flexiv -n zwischen diesen beiden Gruppen von Kindern gab, lagen die Korrektheitswerte für /s/ und /t/ bzw. für die Verwendung der Flexive -s(t) und -t in obligatorischen Kontexten bei den Kontrollkindern signifikant über denen der schwerhörigen Kinder. In einem Follow up-Design mit elf ProbandInnen aus der ersten Teilstudie zeigte sich nach vier Jahren, dass fast alle hörgeschädigten Kinder deutlich Fortschritte gemacht hatten und die Defizite nicht dauerhaft waren.

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244

 

4/2016

Späte Schlucke bei Dysphagie

Norbert Rüffer und Elena Düllmann

Es gehört zu den Standard-Annahmen in der dysphagiologischen Literatur, dass der pharyngeale Schluck normalerweise initiiert wird, nachdem der Bolus den posterioren oralen Raum erreicht hat. Schlucke mit einer späteren, d.h. pharyngealen Bolusposition zum Zeitpunkt des Schluckonsets werden mit einem erhöhten Penetrations- und Aspirationsrisiko in Verbindung gebracht. Die Gleichsetzung von späten und verspäteten Schlucken wurde jedoch durch eine Reihe von dysphagiologischen Studien infrage gestellt, die belegen, dass pharyngeale Boluspositionen vor der Schluckauslösung bei gesunden Schlucken regelmäßig vorkommen und nicht zu Einschränkungen der Atemwegsprotektion führen müssen. Dies kann mit Faktoren der Atemwegsprotektion erklärt werden, die vor dem Schluck wirksam sind. In der vorliegenden Studie untersuchten wir, wie häufig späte Schlucke in einer Gruppe von DysphagiepatientInnen vorkommen und ob ein Zusammenhang zwischen spätem Schluckonset und einer Gefährdung der Atemwege nachweisbar ist. Untersucht wurden 5ml-Wasserschlucke bei 45 DysphagiepatientInnen. Wir fanden einen hohen Anteil an späten Schlucken (73,3%) wie auch einen hohen Anteil an Penetrationen und Aspirationen (24,4% und 42,2%). Es war jedoch kein Zusammenhang zwischen der Verteilung von frühen und späten Schlucken und dem Vorkommen von Penetrationen und Aspirationen nachweisbar, d.h. bei den späten Schlucken kam es nicht häufiger zu Atemwegsinvasionen als bei den frühen (Penetration: p=0.448, Aspiration: p=0.699). Darüber hinaus ging aus unseren Daten hervor, dass die Atemwegsinvasionen der späten Schlucke überwiegend nach dem Schluckonset eintraten (100% der Penetrationen und 93,3% der Aspirationen). Unsere Daten lassen sich mit der Annahme erklären, dass die bei gesunden Schlucken wirksamen Faktoren der frühen Atemwegsprotektion bei Dysphagie häufig wirksam bleiben, d.h. relativ robust gegenüber dysphagischen Einschränkungen sind. Wir diskutieren dieses Ergebnis in Bezug auf gängige Protokolle der instrumentellen Dysphagiediagnostik (FEES, VFSS).

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Sprachentwicklung bei Late Talkern

Philipp Kühn, Steffi Sachse und Waldemar von Suchodoletz

In der Studie wird untersucht, wie die Sprachentwicklung von deutschsprachig aufwachsenden Late Talkern (LT) im Vergleich zu Nicht-Late Talkern (N-LT) bis zum Einschulungsalter verläuft. Geklärt werden soll, wie groß das Entwicklungsrisiko bei LT ist, ob zweijährige Kinder mit Sprachleistungen im unteren Grenzbereich (Grenzfälle; GF) Risikokinder sind und ob auch bei N-LT im Kindergartenalter Sprachauffälligkeiten auftreten. Zu vier Untersuchungszeitpunkten (2;1, 3;1, 4;7, 5;10 Jahre;Monate) wurden mit standardisierten Tests bei 43 LT, 38 N-LT und 25 GF produktiver Wortschatz und Grammatik sowie das Sprachverständnis beurteilt. Trotz einer anfänglich erheblichen Besserungstendenz lagen die Sprachfähigkeiten der LT im Mittel auch noch im Einschulungsalter unter dem Niveau der N-LT. Bei jedem dritten ehemaligen LT waren Sprachauffälligkeiten nachweisbar (bei 16% Sprachschwächen und bei 19% eine umschriebene Sprachentwicklungsstörung). Die Sprachleistungen der GF unterschieden sich im Einschulungsalter nicht signifikant von denen der N-LT. N-LT erreichten durchgehend die besten Sprachleistungen. Doch auch in dieser Gruppe wurden im Verlauf vereinzelt Sprachauffälligkeiten beobachtet. Ein verspäteter Sprechbeginn ist ein Hinweis auf geringe sprachliche Fähigkeiten und ein erhöhtes Risiko für Sprachentwicklungsstörungen. Wegen der großen Bedeutung von Sprachkompetenz wird eine frühzeitige Sprachförderung empfohlen, z.B. eine systematische Anleitung der Bezugspersonen zu sprachförderndem Verhalten. Zweijährige Kinder mit Sprachleistungen im unteren Grenzbereich holen den Rückstand im dritten Lebensjahr weitgehend auf und haben später ähnliche Sprachfähigkeiten wie N-LT. Bei N-LT und GF werden vereinzelt Spätmanifestationen von umschriebenen Sprachentwicklungsstörungen (USES) beobachtet. Um Kinder mit USES, die keine LT sind, frühzeitig zu erkennen, sollte deshalb nicht nur im Alter von zwei, sondern auch von drei und vier Jahren ein generelles Sprachscreening erfolgen.

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3/2016

Mehrsprachige Kinder mit Aussprachestörung:

Ein internationales Positionspapier

Sandra Neumann, Miriam Meinusch, Sarah Verdon und Sharynne McLeod

Manche Kinder zeigen Schwierigkeiten in ihrer Artikulationsfähigkeit, unabhängig davon, ob sie eine, zwei oder mehrere Sprachen sprechen. International stimmen Sprachtherapeuten1 überein, dass sie nicht über genügende Fertigkeiten und Ressourcen verfügen, mehrsprachigen Kindern mit Artikulationsstörung eine adäquate sprachliche Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. In diesem Artikel wird das internationale ‚Positionspapier zu mehrsprachigen Kindern mit Aussprachestörung‘ (IEPMCS, 2012) vorgestellt. Dieses bietet Sprachtherapeuten und angrenzenden Professionen, die mit mehrsprachigen Kindern bzw. Kindern mit multikulturellem Hintergrund arbeiten, eine Richtlinie und praktische Strategien, sowie Informationen für Regierungen und Krankenkassen, um zukünftig weltweit eine optimale sprachtherapeutische Versorgung zu gewährleisten. In einer fünfstufigen Methode der Erstellung und Konsensfindung wurde das Positionspapier von 57 Wissenschaftlern im Bereich Aussprachestörung und/oder Mehrsprachigkeit (International Expert Panel on Multilingual Children’s Speech/IEPMCS) 2012 in persönlicher Diskussion (mit 14 Mitgliedern) entwickelt und durch weitere Teilnehmer in mehreren Onlinediskussionen vervollständigt. Es konnte final ein fünfseitiges Positionspapier erstellt werden, das die Komponenten der ICF-CY aufgreift und folgende Inhalte widerspiegelt: Klärung und Vereinheitlichung von Definitionen, Zielsetzung im Rahmen der ICF-CY (WHO, 2007), international identifizierte Aufgaben zur Sicherung einer adäquaten kulturell kompetenten und evidenzbasierten Sprachtherapie bei mehrsprachigen Kindern sowie empfohlene beste Praxis. Das aktuelle Positionspapier birgt auch für Deutschland die Chance auf eine ideale Betreuung von mehrsprachigen Kindern mit Aussprachestörung. Es in Forschung und Praxis zu implementieren, verbleibt ein zukünftiges übergeordnetes Ziel.

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3/2016

Der Dativerwerb –

Forschungsergebnisse und ihre therapeutischen Konsequenzen

Tanja Ulrich, Martina Penke, Margit Berg, Ulrike M. Lüdtke und Hans-Joachim Motsch

In einem multizentrischen Forschungsprojekt wurden 968 monolingual deutsch aufwachsende Kinder zwischen 4;0 und 8;11 Jahren bezüglich ihrer grammatischen Kompetenzen untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie liefern Evidenz für eine neue Sicht auf den Erwerb des Dativs. So ist bei 30 Prozent der untersuchten Kinder der Dativerwerb vor Eintritt ins zehnte Lebensjahr noch nicht abgeschlossen. Jenseits dieser langen Erwerbsphase zeigt sich aber auch eine große Varianz innerhalb der „Normalität“, sodass auch bereits ein Viertel der Kinder den Dativ im fünften Lebensjahr erworben hat. Bisher publizierte Annahmen über den Dativerwerb (Beginn, Abschluss, früher Regelerwerb an femininen Nomen, Überlegenheit des strukturellen Kasus, Zusammenhang mit der kindlichen Genussicherheit) werden durch die gewonnenen Daten relativiert oder widerlegt.

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2/2016

Kann eine methodenintegrierende globale Sprechrestrukturierung negative Emotionen mindern?

Harald A. Euler, Kristina Anders, Anna Merkel und Alexander Wolff von Gudenberg

Nach vorherrschender Meinung mindert eine globale Sprechrestrukturierung wie das Fluency Shaping die stotterbegleitenden negativen, belastenden und kommunikationsbeeinträchtigenden Emotionen nicht oder nur unzureichend. Vielmehr seien neben den sprechrestrukturierenden Übungsprogrammen zusätzlich therapeutische Maßnahmen erforderlich, etwa eine kognitive Verhaltenstherapie, um den therapie-induzierten Gewinn an Sprechflüssigkeit in der alltäglichen Anwendung abzusichern und Rückfälle zu mindern. In der vorliegenden Untersuchung wurden 122 erwachsene sowie 58 jugendliche Personen, die stotterten und eine Behandlung durch eine methodenintegrierende globale Sprechrestrukturierung erhalten hatten, vor der Intensivtherapie, nach Ende der zwölfmonatigen Erhaltungsphase sowie weitere zwölf Monate später mit der deutschen Version des OASES-Fragebogen (Overall Assessment of Speaker's Experience with Stuttering) untersucht. Von Messzeitpunkt 1 (vor Intensivkurs) zu Messzeitpunkt 2 (Ende der Erhaltungsphase nach 12 Monaten) sowie zu Messzeitpunkt 3 (24 Monate nach Intensivkurs) reduzierten sich die Stotterhäufigkeiten wie erwartet mit großer Effektstärke. Die OASES-Werte jedoch verbesserten sich noch mehr, auch bei denjenigen Items, die speziell negative Emotionen sowie angst-induzierte Vermeidung von Sprechsituationen und Furcht vor negativer sozialer Bewertung betrafen. Bei den jugendlichen KlientInnen war die Reduktion der OASES-Werte etwas geringer als bei den Erwachsenen. Ein partieller Rückfall nach der Erhaltungsphase, wie in den Stotterhäufigkeiten üblich, war bei den OASES-Werten nicht zu beobachten. Eine umfassende methodenintegrierende Behandlung mit Fluency Shaping, die neben individuellen Sprechübungen auch Gruppensitzungen und verschiedene verhaltenstherapeutische In-vivo-Übungen in Alltagssituationen einbezieht, erfordert nicht zwingend beziehungsweise nur für einzelne KlientInnen eine zusätzliche explizite kognitive Verhaltenstherapie. Der Einbezug angstreduzierender Maßnahmen sollte aber selbstverständlicher Bestandteil jeder Übungstherapie des Stotterns sein.

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1/2016

Elterntraining zum Umgang mit LRS – wahrgenommene Änderung des kindlichen Verhaltens

Bettina Multhauf und Anke Buschmann

Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung (LRS) weisen ein erhöhtes Risiko für psychische Symptome auf und sind langfristig in ihrer psychosozialen, emotionalen und schulischen Entwicklung gefährdet. Für die Bezugspersonen stellen Lern- und Übungssituationen oft eine hohe Belastung dar, sie laufen Gefahr ein dysfunktionales Erziehungsverhalten zu zeigen. Eine Beratung zum Umgang mit den Schwierigkeiten im Lesen und/oder Schreiben sowie den Sekundärfolgen wird von ihnen gewünscht und von Fachpersonen empfohlen. Im „Heidelberger Elterntraining zu Lese-Rechtschreibschwierigkeiten“ (HET LRS) stehen neben der Psychoedukation die Stärkung elterlicher Kompetenzen in Lern- und Übungssituationen sowie die Sensibilisierung für natürliche Lese- und Schreibanlässe im Vordergrund. Im Rahmen einer Evaluationsstudie zu Transfereffekten des Programms sollte geprüft werden, inwiefern eine Trainingsteilnahme zu einer Reduktion der elterlichen Wahrnehmung von Verhaltensauffälligkeiten des Kindes führt. 39 Mütter lese-rechtschreibschwacher Kinder wurden randomisiert der Trainings- (TG) oder Wartegruppe (WG) zugewiesen. Mütter der TG nahmen am HET LRS teil, die WG erhielt zunächst keine Intervention. Das Ausmaß kindlicher Verhaltensschwierigkeiten wurde mittels der Elternversion des „Strengths and Difficulties Questionnaire“ (SDQ) zu drei Zeitpunkten erfasst (Prä-, Posttest, Follow-up). In einem globalen Urteil nahmen Mütter der TG eine deutlich größere Verbesserung der Verhaltensprobleme vom Prä- zum Posttest wahr. Differenziert betrachtet zeigten sich laut deren Einschätzungen kurz- und langfristig positive Trainingseffekte in den Bereichen emotionale Probleme, Umgang mit Gleichaltrigen und prosoziales Verhalten. Die Studie belegt somit positive Transfereffekte des Programms auf die elterliche Wahrnehmung von Verhaltensproblemen des Kindes.

 2016.1MulthaufBuschmann

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4/2015

Foreign Accent Syndrom: Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten

Magdalena Jezek, Ernst G. de Langen, Thomas Kaltenbacher und Gerald Frenkenberger

Das Foreign Accent Syndrom (FAS) ist eine sehr seltene Sprechstörung mit dem Hauptsymptom ‚fremdklingender‘ Akzent, welches nach linkshemisphärischer Läsion auftreten kann (Kurowski, Blumstein, & Alexander, 1996). Da bislang keine Therapiekonzepte bei FAS beschrieben sind bzw. erst wenige Verlaufsstudien vorliegen, werden im vorliegenden Artikel diagnostische und erstmalig auch therapeutische Möglichkeiten dargestellt. Die Studie beschreibt die diagnostische und therapeutische Vorgehensweise bei einem 57-jährigen Patienten mit FAS, bei dem sich nach linkshemisphärischem Infarkt ein als Russisch imponierender Akzent bemerkbar machte, obwohl er keinerlei Kenntnisse einer slawischen Sprache besaß. In der sprachtherapeutischen Diagnostik wurden verschiedene neurophonetische Parameter erhoben, darüber hinaus erfolgte eine Überprüfung der Artikulation mittels Elektropalatographie (EPG). Die Ergebnisse zeigten Störungsschwerpunkte in den Bereichen Artikulation, Sprechrhythmus, Intonation, Sprechtempo und Sprechflüssigkeit. Im Rahmen der sprachdiagnostischen und -therapeutischen Maßnahmen wurden eigenständig zusammengestellte Therapiematerialien und -ansätze erprobt. Überdies wurde die Diagnostik- und Feedbackmethode der EPG auch für therapeutische Zwecke herangezogen

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4/2015

Wortschatzsammler

Effektivität lexikalischer Strategietherapie bei mehrsprachigen SchülerInnen

Hans-Joachim Motsch und Dana-Kristin Marks

Effekte lexikalischer Therapiemethoden bei mehrsprachigen Kindern wurden bisher empirisch nur unzureichend belegt. Die AutorInnen untersuchten in einer großen randomisierten und kontrollierten Studie (RCT, N=157, n=78 mehrsprachige SchülerInnen, MW=9;6 Jahre, SD=.23), ob die Teilgruppe der multilingual aufwachsenden Kinder in gleicher Weise von der an das Schulalter adaptierten lexikalischen Strategietherapie „Wortschatzsammler“ profitiert wie die monolingual deutschsprachigen. Die mit normierten Testverfahren ermittelten Ergebnisse bestätigen, dass die Gruppe der Mehrsprachigen tendenziell sogar einen stärkeren Wortschatzzuwachs erfahren hat als die Einsprachigen der Experimentalgruppe (EG) und die Mehrsprachigen der Kontrollgruppe (KG).

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3/2015

Kasus als klinischer Marker im Deutschen

Anna-Lena Scherger

Als klinische Marker werden grammatische Phänomene verstanden, anhand derer Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung von Kindern mit typischer Sprachentwicklung abgegrenzt werden können. Hierbei werden in der Forschungsliteratur einzelsprachspezifische grammatische Merkmale gegenüber universellen, d. h. sprachübergreifend wirksamen Markern diskutiert. Das grammatische Phänomen des Kasus wurde bereits in anderen Sprachen (u. a. Finnisch, Ungarisch, Türkisch) als klinisches Kennzeichen erwogen. Sowohl die Identifikation als klinischer Marker als auch vor allem Erwerb und Störungen der Kasusmarkierung sind jedoch für das Deutsche noch nicht hinreichend erforscht. Anhand empirischer Querschnittsdaten von normalentwickelten (n=18) und sprachentwicklungsgestörten (n=10) Kindern wird in der vorliegenden Studie daher der Frage nachgegangen, ob die Fähigkeit zur Kasusmarkierung als klinischer Marker im Deutschen dienen kann. Die Resultate liefern Evidenz für die Annahme, dass Kasus (vor allem der Dativ) im Deutschen als ein solcher Marker fungieren kann.

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3/2015

Dysphagie bei Säuglingen und Kleinkindern

– anatomisch-physiologische und epidemiologische Aspekte und ein Vergleich zwischen FEES und klinischer Schluckuntersuchung

Raimund Böckler

Die zunehmende Zahl von Säuglingen und Kleinkindern mit Schluckstörungen stellt die akademische Sprachtherapie vor mehrere Aufgaben: Kooperation in interdisziplinären Forschungsstrukturen, Entwicklung von klinischen Schlucktests und Etablierung evidenzbasierter Therapieverfahren. Eine Validierung von Schlucktest und Therapie kann durch instrumentelle Untersuchungsverfahren erfolgen. Dazu hat sich bei Erwachsenen neben der Videofluoroskopie (VFS) auch die Flexible Endoskopische Evaluation des Schluckaktes (FEES) etabliert. Die diagnostische und therapeutische Wertigkeit der FEES bei jungen Kindern ist noch nicht eindeutig geklärt. In der vorliegenden Arbeit werden nach einer einführenden Darstellung anatomisch-physiologischer und epidemiologischer Daten vier Forschungsfragen untersucht: Kann die FEES in modifizierter Form auch bei unruhigen und nicht kooperationsfähigen Kindern durchgeführt werden? Welche therapeutischen Konsequenzen ergeben sich aus den endoskopischen Befunden und in welchem Grade stimmen Ergebnisse der klinischen Schluckuntersuchungen (KSU) und der FEES bei der Erkennung von Penetrationen und Aspirationen überein? Mit der vierten Frage werden die fünf Parameter Speichelschluckfrequenz, Drooling, wet voice/respiration, Husten während der Nahrungsaufnahme und Anamnese einer Aspirationspneumonie hinsichtlich ihrer prädiktiven Wertigkeit zur Erfassung von Penetrationen und Aspirationen bei nicht tracheotomierten Kindern untersucht. In einem prospektiven Studiendesign wurden bei 49 Kindern eines stationären neuropädiatrischen Krankengutes im ersten bis vierten Lebensjahr klinisch-logopädische Schluckuntersuchungen nach einheitlichem Standard durchgeführt, bei der die klinischen Schluckparameter dokumentiert und eine Beurteilung zum Vorliegen einer Penetration/Aspiration abgegeben wurde. Die FEES erfolgte anschließend bei kooperativen Kindern nach dem Langmore-Standard und bei unkooperativen Kindern nach dem modifizierten Algorithmus. Die FEES erscheint in der vorgestellten Modifikation für die Mehrzahl der jungen Kinder ein sinnvolles instrumentelles Verfahren zu sein, um therapeutisch verwertbare Befunde zu liefern. Ob das Verfahren geeignet ist, klinisch-pädiatrische Schluckuntersuchungen zu validieren, müssen weitere Studien zeigen.

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2/2015

Pragmatische Kompetenzen und sozial-emotionale Probleme spracherwerbsgestörter Kinder

Eine Studie mit Kindern im Primarbereich

Klaus Sarimski, Maria Röttgers und Manfred Hintermair

Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen weisen häufig auch Defizite in den kommunikativ-pragmatischen Kompetenzen auf. Es wird über eine Untersuchung berichtet, in der die Lehrkräfte von 41 Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen die deutsche Version der „Children’s Communication Checklist“ (CCC) ausfüllten. Zusätzlich wurden sie gebeten, den „Strengths and Difficulties Questionnaire“ (SDQ) zur Einschätzung von sozial-emotionalen Auffälligkeiten zu bearbeiten. Bei 36 Prozent der Kinder ergibt sich ein pragmatischer Gesamtscore im CCC, der auf kommunikativ-pragmatische Defizite hinweist. Besonders häufig sind Auffälligkeiten bei der Initiierung von Gesprächen, bei der Abstimmung der Äußerungen auf den Gesprächskontext sowie bei der Etablierung einer angemessenen Beziehung zu der Gesprächspartnerin/dem Gesprächspartner. Diese kommunikativ-pragmatischen Defizite sind assoziiert mit Verhaltensauffälligkeiten, hyperaktiven Symptomen und Problemen im Umgang mit Gleichaltrigen. Es finden sich keine Assoziationen zum Geschlecht oder zu den formalen strukturellen Sprachkompetenzen der Kinder. Schlussfolgerungen aus diesen Ergebnissen für die Praxis werden diskutiert.

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2/2015

Latenzmessungen in der Diagnostik diskreter Benennstörungen

Eine praktikable Ergänzung zum Aachener Aphasie Test

Sinaida Kargel, Anna Stielow, Michael Merz, Ulrike Domahs und Frank Domahs

Bei neurologischen PatientInnen häufig noch vorliegende diskrete Wortfindungsstörungen (oft in Form erhöhter Benennlatenzen bei letztlich korrekter Reaktion) können anhand verbreiteter Testverfahren nur unzureichend diagnostiziert werden. Spezielle Diagnostikinstrumente, die hier Abhilfe schaffen könnten, sind in der klinischen Praxis oft nicht verfügbar oder nicht praktikabel einsetzbar. Ziel dieser Studie war es daher, normative Daten zu Benennlatenzen für den Untertest Benennen des weit verbreiteten Aachener Aphasie Tests (AAT) zu gewinnen, um mit ihrer Hilfe diskrete Benennstörungen objektiv und praktikabel diagnostizieren zu können. Es wurden Benennlatenzen von 81 ProbandInnen ohne neurologische Erkrankung im Untertest Benennen des AAT erhoben und auf mögliche Auswirkungen der Faktoren Alter, Bildung und Geschlecht analysiert. Außerdem wurde eine Patientin mit einer diskreten Benennstörung hinsichtlich ihrer Benennlatenzen untersucht, um den möglichen Einsatz der normativen Daten beim Nachweis solcher diskreten Benennstörungen zu illustrieren. Bei den KontrollprobandInnen zeigte nur der Faktor Alter einen Effekt auf das Benennen, d. h. die Latenzen stiegen mit zunehmendem Alter signifikant an. Daraufhin wurden die normativen Daten in vier Altersgruppen klassifiziert, für die jeweils Schwellwerte auffälliger Benennlatenzen definiert wurden. Die untersuchte Patientin erwies sich – obwohl ihre Fehlerzahl nur gering war und der AAT lediglich die Diagnose „keine Aphasie/Restaphasie“ ergab – hinsichtlich ihrer Benennlatenzen gegenüber der Kontrollgruppe als klar auffällig im Sinne eines verzögerten Wortabrufs. Durch die gewonnenen normativen Daten zu Benennlatenzen gesunder SprecherInnen konnte die diagnostische Aussagekraft des AAT-Untertests Benennen in einer für die klinische Praxis leicht anwendbaren Form erweitert werden.

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1/2015

Beeinträchtigungen des Wortabrufs bei Aphasie und Alzheimerdemenz

Ein Literaturüberblick und Vorhersagen im Rahmen eines psycholinguistischen Modells

Carmen Koch, Tobias Bormann und Gerhard Blanken

AlzheimerpatientInnen und Menschen mit Aphasie, die einen Schlaganfall erlitten haben, weisen in ihrer Spontansprache häufig ähnliche sprachliche Auffälligkeiten auf und erzielen in Tests zum Einzelwortabruf vergleichbare Ergebnisse, weshalb sie in der klinischen Praxis anhand sprachlicher Merkmale nur schwer zu unterscheiden sind. Für die praktische Arbeit ist eine zuverlässige Differenzierung jedoch in hohem Maße relevant, weil daraus grundlegende therapeutische Konsequenzen resultieren. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die existierende Literatur zu Wortabrufstörungen bei Aphasien nach Schlaganfall und bei der Alzheimerdemenz. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Arbeiten, die eine Differenzialdiagnostik aphasischer und alzheimerbedingter Sprachstörungen zum Ziel haben. Mit Hilfe des Netzwerkmodells von Foygel und Dell (2000) werden Erwartungen in Bezug auf eine Differenzierung von aphasischen und alzheimerbedingten Wortabrufstörungen formuliert. Dies soll helfen, um in der klinischen Praxis Hinweise auf eine aphasische bzw. eine alzheimerbedingte Wortabrufstörung abzuleiten. Es wird anhand der Forschungsliteratur herausgearbeitet, dass für AlzheimerpatientInnen semantische Störungen/Defizite als primäre Ursache abweichender Wortverarbeitung angenommen werden können, während Menschen mit Aphasie unter instrumentellen Sprachstörungen leiden, bei oft intakten semantischen Repräsentationen. Wenn weiterführende neuropsychologische Tests nicht möglich und/oder die medizinischen Daten der PatientInnen unvollständig sind, können Aufgaben, die in unterschiedlichem Maße semantische Prozesse beim Wortabrufprozess voraussetzen – wie z. B. semantische versus phonologische Wortflüssigkeitsleistungen –, herangezogen werden, um zwischen Aphasien nach Schlaganfall und Wortabrufstörungen, wie sie im Rahmen der Alzheimererkrankung auftreten können, zu unterscheiden.

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4/2014

Visuelles Emotionserkennen von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren

Jens-Stefan Geier, Nicole von Steinbüchel und Christiane Kiese-Himmel

Die Fähigkeit zum Erkennen von Emotionen beginnt sich interaktiv und kontextabhängig aus kognitiven, psychophysischen und behavioralen Zuständen schon in den ersten Lebenswochen zu entwickeln und ist Voraussetzung für die Sprach- und Kommunikationsentwicklung. Umgekehrt ist aber auch die Lautsprache mit ihren prosodischen Botschaften ein entscheidendes Element in der Entwicklung (und Förderung) sozial-emotionaler Kompetenzen. Das Emotionserkennen wird durch eine Vielfalt verbaler und extraverbaler Signale beeinflusst. Dabei spielen neben der Sprache und ihrer paraverbalen Tönung insbesondere visuelle Informationen eine Rolle. Diese sind aus der Gestik, Körperhaltung, Körperbewegung und besonders aus der Gesichtsmimik des Gegenübers zu entschlüsseln. Emotionsverständnis ist an die sprachlichen Fertigkeiten eines Kindes gebunden. Das Anliegen der Übersichtsarbeit besteht darin, das visuelle Emotionserkennen von Kindern zwischen drei und sechs Jahren, insbesondere in Gesichtern, darzustellen. Sie endet mit einer zusammenfassenden Klärung.

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4/2014

LRS bei Kindern mit überwundenen phonologischen Aussprachestörungen

Carola Schnitzler

Dieser narrative Literaturüberblick beschäftigt sich damit, ob und wie sich Umschriebene Sprachentwicklungsstörungen (USES), die primär die phonologische Ebene betreffen und im Vorschulalter überwunden wurden, auf den Schriftspracherwerb der Betroffenen auswirken. Ein erhöhtes Risiko hinsichtlich Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) wird für einige, aber nicht alle Kinder aus dieser heterogenen Population angenommen. Interne kognitive Faktoren innerhalb und außerhalb der phonologischen Sprachverarbeitung (z. B. nicht-phonologische Sprachstörungen) sowie externe Faktoren (Orthografie, Schriftsprachinstruktion, Sprachtherapie) scheinen einen Einfluss auf die Höhe des LRS-Risikos dieser Kinder zu haben.
Aus der Gesamtschau relevanter Publikationen ergibt sich, dass die Höhe des LRS-Risikos bei Kindern mit USES im Vorschulalter, die ausschließlich die phonologische Ebene betreffen, maßgeblich durch den Subtyp der phonologischen Aussprachestörung bestimmt wird: Bei Kindern mit einer konsequent gestörten phonologischen Entwicklung in der Vorgeschichte lassen sich häufiger LRS beobachten als bei Kindern mit einer verzögerten phonologischen Entwicklung. Es wird angenommen, dass das erhöhte LRS-Risiko bei Kindern mit überwundenen phonologischen Aussprachestörungen mit persistierenden phonologischen Sprachverarbeitungsproblemen assoziiert ist. Bei Kindern mit USES im Vorschulalter, die primär die phonologische Ebene betreffen, aber auch andere Ebenen umfassen, gelten die zusätzlichen nicht-phonologischen Störungen als additiver Risikofaktor. Stützende Umweltbedingungen, die während des Schriftspracherwerbs wirken, vermögen das erhöhte, höchstwahrscheinlich phonologisch basierte LRS-Risiko bei den betroffenen Kindern zwar zu reduzieren, aber nicht vollständig aufzuwiegen. Deshalb sollten Kinder mit isolierten bzw. primären phonologischen Aussprachestörungen, deren Diagnose mit einem erhöhten LRS-Risiko verbunden ist, innerhalb der vorschulischen Sprachtherapie zusätzliche spezifische und schriftsprachbezogene Maßnahmen zur Prävention von LRS erhalten.

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3/2014

Die Bedeutung von Kernvokabular für unterstützt kommunizierende Kinder und Jugendliche

Jens Boenisch

SchülerInnen an Gymnasien und Förderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung verfügen über einen ähnlichen aktiven Wortschatz und nutzen das gleiche Kernvokabular. Nicht provozierend, sondern empirisch stellt Jens Boenisch von der Universität Köln seine umfangreiche Studie Zur Bedeutung des Kernvokabulars in der Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen Kommunikationsstörungen vor. Unterstütze Kommunikation bildet den Schwerpunkt dieser Logos und dieses Beitrages. Überraschend und lesenswert!

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3/2014

Unterstützte Kommunikation und CDKL5 – Eine Untersuchung mit Umfrage 

Michael Wahl, Tina Zeidler und Holger Hünermund

Das geschätzte und rare Gut empirischer Arbeiten zu Mehrfachbehinderungen im Themenfeld Logopädie/Sprachtherapie, diesmal aus dem seltenen Störungsspektrum des RETT-Syndroms, ergänzen Michael Wahl, Tina Zeidler und Holger Hünermund mit ihrem Beitrag Unterstützte Kommunikation und CDKL5 - Eine Untersuchung mit Umfrage. Nicht das Spezifische allein macht diese Arbeit lesenswert, sondern die prinzipiellen Möglichkeiten, die sich durch UK ergeben können, ermutigen.

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2/2014

Zur inklusiven Förderung von GrundschülerInnen mit erhöhten sprachlichen Risiken

Erste Ergebnisse im Rahmen des Rügener Inklusionsmodells (RIM) Kathrin Mahlau und Yvonne Blumenthal

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2/2014

Chancen und Risiken einer evidenz-basierten Sprachtherapie 

Ulla Beushausen

Die Forderung nach evidenzbasierter Praxis ist mittlerweile sehr populär und wird bisweilen emotional diskutiert. Erläutert werden in diesem Artikel die Chancen und Risiken einer evidenz-basierten Sprachtherapie, wobei sie auf begriffliche und theoretische Aspekte ebenso eingeht wie auf die Konsequenzen für den Therapiealltag.

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2/2014

Monolinguale Sprachtherapie mit bilingualen Kindern: Eine (Not-)Lösung mit Chancen

Margit Berg

Mit diesem Beitrag von Margit Berg führen wir den im letzten Jahr begonnenen Themenschwerpunkt „Mehrsprachigkeit“ weiter. Die Autorin geht auf die Beobachtung ein, dass bestimmte Störungen in allen Sprachen eines Kindes auftreten und fragt deshalb, ob nicht auch die Sprachtherapie in beiden Sprachen erfolgen muss. Trifft dies tatsächlich zu oder ist die Monolinguale Sprachtherapie mit bilingualen Kindern: Eine (Not-)Lösung mit Chancen?

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1/2014

Ich oder Du? Die Therapie der pronominalen Umkehr bei Autismus- Spektrum-Störung

Eine vergleichende Einzelfallstudie nach der Angewandten Verhaltensanalyse mit Verbal Behavior und der Model/Rival-Methode Franziska Elisabeth Krause, Kerstin Richter und Katharina J. Rohlfing

Pronominale Fehler haben sich in der Vergangenheit als vergleichsweise therapieresistent erwiesen. Franziska Elisabeth Krause, Kerstin Richter und Katharina J. Rohlfing wenden zwei konkurrierende Therapieansätze bei einem Vorschulkind an und vergleichen deren Erfolg in ihrem Beitrag.

2014.1krause et al4-15


 

 

1/2014 

Therapie der Erzählfähigkeit bei Kindern – eine Einzelfallserie

Svenja Ringmann

Obgleich die Qualität von textgrammatischen Äußerungen bei Kindern im Vorschulalter als ein wichtiger Prädiktor für den späteren Schulerfolg gilt, fehlen für das Deutsche nach wie vor Interventionsstudien. Svenja Ringmann schließt hier eine Lücke, indem sie mit Therapie der Erzählfähigkeit bei Kindern Erkenntnisse zur Wirksamkeit einer neuen Textgrammatik-Therapie aus ersten Befunden einer Weiterentwicklung des patholinguistischen Therapieansatzes bei Sprachentwicklungsstörungen ableitet.

2014.1Ringmann 16-29

 


 

4/2013

Entwicklung des produktiven Wortschatzes von Kindern mit Down-Syndrom – Erste Ergebnisse aus der Heidelberger Down-Syndrom-Studie

Klaus Sarimski

Klaus Sarimski berichtet über erste Ergebnisse aus einer umfangreichen Längschnittstudie zum Entwicklungsverlauf von Kindern mit Down-Syndrom. Unter dem Titel Entwicklung des produktiven Wortschatzes von Kindern mit Down-Syndrom analysiert er die prädikten Zusammenhänge verschiedener Meilensteine des Spracherwerbs in einer Teilstichprobe von 50 Kindern.

2013.4Sarimski 248-254


 

4/2013

Diagnostik und Therapie mehrsprachiger Kinder mit Spezifischer Sprachentwicklungsstörung 

Hans-Joachim Motsch

Hans Joachim Motsch beantwortet in seinem Beitrag Diagnostik und Therapie mehrsprachiger Kinder mit Spezifischer Sprachentwicklungsstörung die Fragen,wie eine Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) bei mehrsprachigen Kindern valide festgestellt werden kann und ob bei diesen Kindern spezifische sprachtherapeutische Methoden notwendig sind

2013.4motsch 255-263


 

4/2013

Ausagieren oder Satz-Bild-Zuordnung? – Zwei Methoden zur Untersuchung des Grammatikverständnisses im Vergleich

Melanie Watermeyer und Christina Kauschke

Ausagieren oder Satz-Bild-Zuordnung? Christina Kauschke und Melanie Watermeyer untersuchten anhand empirischer Befunde, ob die Wahl der Methode bei der Überprüfung des Grammatikverständnisses das Testergebnis beeinflussen kann. Ein Vergleich unterschiedlicher Vorgehensweisen zur Erfassung kindlicher Sprachverständnisleistungen liefert hierfür wesentliche Anhaltspunkte.

2013.4.waterm kauschke 264-278


 

3/2013

Einschätzungen des Sprachverhaltens von Kindern mit Migrations- versus ohne Migrationshintergrund durch Kita-ErzieherInnen

Christiane Kiese-Himmel, Claudia Witte und Nicole von Steinbüchel

Die Göttinger Kolleginnen Christiane Kiese-Himmel, Claudia Witte und Nicole von Steinbüchel berichten von einer umfangreichen Erhebung in Kindergärten, in denen das Sprachverhalten von Kindern mit Migrations- versus ohne Migrationshintergrund im Urteil der Kita-ErzieherInnen verglichen wird.

2013.3kiesehimmel 180-189


 

3/2013

Der Olsberger Schluck-Beobachtungs-Bogen (O-SBB) – Ein Verfahren zur systematisierten Bewertung von Essensbegleitung bei Dysphagie

Ines Hiddemann, Matthias Moriz und Judith Zink

Ines Hiddemann und ihre KollegInnen stellen den Olsberger Schluck-Beobachtungs-Bogen vor. Er erlaubt eine alltagsbezogene, vergleich- und quantifizierbare Evaluation dysphagischer Symptome während der Einnahme einer vollständigen Mahlzeit und liefert Anhaltspunkte für eine Kostformempfehlung.

2013.3hiddemann 190-196

 


 

3/2013

Die Rolle des Kleinhirns für Sprechen, Sprache, Kognition und Affekt

Maria-Dorothea Heidler

Das Kleinhirn wird traditionell mit motorischen Kontroll- und Koordinationsfunktionen in Zusammenhang gebracht. Dass es auch an anderen nicht motorischen Leistungen, z. B. bei Exekutivfunktionen, bei der Sprachverarbeitung, beim verbalen Arbeitsgedächtnis, bei visuell-räumlichen Leistungen sowie bei der Regulation und Expression von Affekten beteiligt ist, zeigt Maria-Dorothea Heidler in ihrer Übersichtsarbeit.

2013.3Heidler Kleinhirn 197-204


 

2/2013

Fragebogen zur psychosozialen Belastung durch das Stottern für Kinder und Jugendliche

Susanne Cook

Stottern wirkt auf das soziale Verhalten und das emotionale Erleben der Betroffenen. Zur Erfassung der Aspekte von Teilhabe und deren zugrunde liegenden Bedingungen stellt Susanne Cook einen Fragebogen zur psychosozialen Belastung durch das Stottern für Kinder und Jugendliche vor.

2013.2Cook 97-105

106

 

2/2013

Einsatz sozialer Roboter in der Sprachtherapie?!

Karoline Malchus, Petra Jaecks, Britta Wrede und Prisca Stenneken

Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es für soziale Roboter in der Sprachtherapie? Erste Antworten auf diese Frage geben Karoline Malchus (Klinische Linguistin) und ihre Kolleginnen basierend auf einer Befragung von 131 SprachtherapeutInnen in Deutschland.

2013.2malchus 106-116

4

 

1/2013

Die Theorie des doing gender: Eine Bereicherung für die Stimmarbeit mit Transgendern?

David Azul

Nach der Theorie des „doing gender“ ist Geschlecht keine feste Eigenschaft oder ein Merkmal einer Person, sondern eine Folge sozialer Prozesse. Soziale Prozesse wiederum sind beeinfluss- und veränderbar. Der Diplom-Logopäde David Azul hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob diese interaktionstheoretische Perspektive auch eine Bereicherung für die Stimmarbeit mit Transgendern darstellen kann.

2013.1azul 4-14 


 

1/2013

Stottern und Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen: Aktueller Kenntnisstand und Einblick in die sprachtherapeutische Praxis

Katja Subellok & Stefanie Kamp

Priv.-Doz. Katja Subellok und die akademische Sprachtherapeutin Stefanie Kamp widmen sich mit dem Artikel Stottern und Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen einem Thema von zunehmender Relevanz. Sie stellen zunächst in einem Überblick den aktuellen Kenntnisstand vor und geben anschließend, anhand der Ergebnisse einer Befragung von KollegInnen, Einblicke in den Praxisalltag.

2013.1subellockKamp 15-27


 

1/2013

Narrative Kompetenzen ehemaliger Late Talkers im Vorschulalter

Anika Giermann & Claudia Wirts

Inwiefern unterscheiden sich Narrative Kompetenzen ehemaliger Late Talkers im Vorschulalter von den Fähigkeiten sprachunauffälliger Kinder? Anhand von zwei Erhebungssituationen erfassten die Logopädin und klinische Linguistin Anika Giermann sowie die akademische Sprachtherapeutin Angelika Wirts den Sprachentwicklungsstand der Kinder und stellen uns die Ergebnisse ihrer Studie vor.

2013.1giermannWirts 28-35


 

1/2013

Spracherwerb: Die Bedeutung der frühen Mutter-Kind-Interaktion

Maria-Dorothea Heidler

Zur Bedeutung der frühen Mutter-Kind-Interaktion für den Spracherwerb gibt Diplom-Sprechwissenschaftlerin Maria-Dorothea Heidler neue Anregungen. Sie reflektiert die Wechselbeziehungen der intuitiven sozial-kommunikativen Fähigkeiten und deren Zusammenhänge mit Bindung, Responsivität sowie intermodaler Integration.

 2013.1heidler 36-42